Maßnahmen gegen Geburtenrückgang Akashi - Japans kinderfreundlichste Stadt
Japan kämpft gegen einen dramatischen Bevölkerungsschwund. Immer weniger Babys, die Einwohnerzahl schrumpft. Die Politik sucht nach einem Gegenmittel. Eine Stadt im Westen des Landes macht vor, wie es laufen könnte.
Wer in der Stadt Akashi junge Menschen treffen will, der findet sie in bester Lage. Direkt am Bahnhof, in einem mehrstöckigen Büro- und Geschäftskomplex. Die fünfte Etage war von den Planern ursprünglich als Ort für Spielhallen vorgesehen.
Wäre es so gekommen, dann würde es heute hier sicher nicht so lebhaft zugehen. Heute hallt hier Kindergeschrei über die Gänge. In den Fluren parken Kinderwagen. Vor der Hüpfburg stehen sie Schlange.
Familienzentrum als Symbol
Im Familienzentrum von Akashi ist immer viel los. Der Eintritt ist frei. Wer sich im Indoor-Spielplatz ausgetobt hat, kann nebenan in der Jugendbücherei entspannen. Es gibt einen Stillraum für Mütter mit Säuglingen.
Außerdem Gruppensäle für Freizeitkurse. In einem Großraum sind alle Tische belegt. Teenager kommen nach dem Unterricht hierher, manche zum Lernen, andere zum Dösen.
Gleich nebenan, im schalldichten Proberaum, haut eine Schülerband in die Saiten ihrer E-Gitarren.
Wenn der ehemalige Bürgermeister von Akashi, einer Stadt mit etwa 300.000 Einwohnern in der japanischen Präfektur Hyogo, durch die Gänge streift, dann kommt er nicht weit.
Menschen umlagern ihn, knipsen Selfies mit ihm. Fusaho Izumi hat das Familienzentrum als Stadtoberhaupt im Jahr 2017 eröffnet. Als Symbol für den Kurswechsel seiner Stadt.
Windeln frei Haus
"Akashi ist ein Ort für Kinder geworden. Die ganze Stadt hat sich verändert", bilanziert Izumi stolz. Wenn es um das Wohlergehen von Familien geht, sprüht er vor Ideen.
Der Kita-Platz ist ab dem zweiten Kind frei. Ebenso die medizinische Versorgung bis zum 18. Lebensjahr. Windeln lässt die Stadt frei Haus ausliefern an jede Familie mit Säugling.
Erzieher erhalten Mietzuschuss
Auch diejenigen, die Kinder betreuen, sollen es in Akashi gut haben. Erzieherinnen und Erzieher werden bei der Wohnungssuche unterstützt.
Die Stadt zahlt ihnen einen Mietzuschuss. Wer länger hier bleibt, kann mit einer Gehaltserhöhung rechnen. Trotz solcher Wohltaten sei die Stadt nicht in den roten Zahlen, beteuert Fusaho Izumi.
Die Steuereinnahmen seien sogar gestiegen. Denn Familien sind ein Wirtschaftsfaktor, sie geben ihr Geld in der Umgebung aus. Die regionale Wirtschaft habe sich berappelt.
Juliane und Takaaki Satani zogen aus Tokio nach Akashi. Sie denken nun über ein drittes Kind nach.
Geringe Lebenshaltungskosten
Juliane und Takaaki Satani, beide Anfang 30, haben hier zwei Kinder in die Welt gesetzt. Das Paar zog aus Tokio nach Akashi. Erst hier konnten sie sich ihren Traum vom Familienleben leisten.
Die Mieten sind günstig, die Lebenshaltungskosten gering. "Wir denken sogar darüber nach, ein drittes Kind zu haben", erzählt Juliane Satani. In der überteuerten Hauptstadt wäre das nicht möglich gewesen.
Gesamtbevölkerung schrumpft
In Akashi steigt die Geburtenrate und liegt über dem landesweiten Durchschnitt. Im Rest von Japan sieht es hingegen dramatisch aus.
Allein im vergangenen Jahr ist die Gesamtbevölkerung um etwa 800.000 geschrumpft. Ein beispielloser Einbruch, der die Zukunft des Landes fraglich erscheinen lässt.
"Viele Berufstätige haben nicht den finanziellen Spielraum und die Ressourcen, um Kinder zu bekommen", sagt der Finanzwissenschaftler und Professor Manabu Shimasawa von der Kanto-Gakuin-Universität in Tokio.
Folgen der Wirtschaftskrise
Eine Familie zu gründen, ist in Japan sehr teuer, auch im internationalen Vergleich. Dagegen hätte schon vor Jahren mehr unternommen werden müssen, so Shimasawa.
Anfang der 2000er Jahre hatten junge Menschen in Japan mit einer Wirtschaftskrise und drohender Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Eine ganze Generation habe deshalb nur wenig Kinder in die Welt gesetzt, erklärt der Experte.
Mit den Folgen habe Japan jetzt zu kämpfen. Es sind einfach nicht mehr genug junge Frauen da, die so viele Babys gebären könnten, wie sie Japan braucht, um die Einwohnerzahl stabil zu halten.
Regierung hat Problem erkannt
Die Stadt Akashi kämpft dennoch unvermindert gegen den Negativtrend an. Weitere Städte gehen den gleichen Weg einer konsequenten Familienförderung.
Auch Premierminister Kishida spricht von der "letzten Chance", den Niedergang aufzuhalten. Er will sich genau anhören, was Familien in Japan brauchen. Vielleicht hätte Tokio früher auf Akashi schauen sollen.
Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 17. September 2023 um 18:30 Uhr im "Weltspiegel".