"Brothers and Sisters in Arms" Israelische Protestbewegung wird zum Hilfswerk
Die "Brothers and Sisters in Arms" protestierten vor kurzem noch gegen die Netanyahu-Regierung. Nun, nach dem Angriff der Hamas, organisieren sie Spenden - aber sie ernten auch, pflanzen und melken.
"Brothers and Sisters in Arms", das war eigentlich mal eine schlagkräftige Protestbewegung in Israel gegen die Regierung von Benjamin Netanyahu und seine Justizreform. Jetzt ist daraus ein gewaltiges Hilfswerk geworden, mit Tausenden Freiwilligen.
Etwa 20 Kilometer vom Gazastreifen entfernt haben sie eine Kommandozentrale aufgebaut. Guy Eldar ist einer von Hunderten, die heute hier versuchen, Hilfe zu organisieren. Als am 7. Oktober der Angriff der Hamas aus dem Gazastreifen auf Israel begonnen hat, ist er gleich hierher gefahren. Zehn Leute waren sie am Anfang - und sie haben etwas Großes aufgebaut.
"Wir haben nicht geplant, eine humanitäre Hilfsorganisation zu werden. Aber nach neun Monaten Protesten waren wir sehr organisiert. Wir hatten unsere WhatsApp-Gruppen, unser Führungsteam", sagt Eldar: "Und als am Samstagmorgen der Krieg begonnen hat, waren wir organisiert, um als erste zu reagieren. Und das haben wir getan. Und dann kam eines zum anderen. Am Anfang, vor zehn Tagen, hat niemand gedacht, dass unsere Hilfe so groß wird."
Ernten, Pflanzen, Melken
Die Helferinnen und Helfer arbeiten in einem Raum mit vielen Tischen in einem Kibbutz. In einer Ecke kümmern sie sich darum, Menschen zu evakuieren. Es gibt Teams, die Nahrung oder Kleidung liefern, an Soldaten, die hergekommen sind - oder an Menschen, die hier noch wohnen. Guy Eldar arbeitet im normalen Leben bei einer Schifffahrtsgesellschaft. Jetzt versucht er zu erkennen, was gebraucht wird - und zu liefern. Zum Beispiel auch für die Bauern in der Gegend.
"Wir ernten, pflanzen, kümmern uns um Tiere. Am Ende kamen wir, um zu helfen. Wir sind da nicht wählerisch. Alles was gebraucht wird, organisieren wir", sagt Eldar: "Als es die erste Anfrage zum Melken von Kühen gab, haben wir einen Aufruf gestartet. Und es gab einhundert Meldungen. Und dann haben wir das arrangiert. Jetzt ist das ein Prozess. Aber am Anfang war das nur: Lösungen für einen Bedarf zu finden."
Manche Teams organisieren Spenden, andere betreiben ein Logistik-Zentrum. Alles Digital: Anfragen werden Aufträge, und die werden am Computer abgewickelt und Menschen in Not mit Freiwilligen zusammengebracht.
Hilfseinsatz an der Grenze
Unterwegs mit einem der Teams ganz nah an der Grenze zum Gazastreifen. Immer wieder hört man den dumpfen Knall, wenn die israelische Artillerie Richtung Gaza schießt. Tamara Wassermann ist eigentlich Chefin in einem Hightech-Unternehmen. Sie lebt schon lange in Israel, aber ihre Mutter kommt aus Wien, deshalb beschreibt sie ihren Auftrag auf Deutsch. "Wir sind jetzt auf einer Mission, wir haben zwei Autos, jedes mit einem bewaffneten Begleiter. Wir bringen jetzt Sachen zu den Soldaten, die hier im Süden sind, wo man nicht rein kann. Aber mit den 'Brothers and Sisters for Israel' haben wir bewaffnete Leute, die nicht mehr Reservisten sind und die können schon rein. Und wir können zu den Soldaten bringen, was sie auch brauchen."
Manche Leute, die Tamara Wassermann besucht, sind immer noch verstört, und wollen die Tür nicht aufmachen, weil die Terroristen in der Straße waren. Und auch ihr hilft das Engagement gegen den eigenen Schock: "Therapie. Diese Arbeit ist total Therapie für mich. Ich habe zu tun, ich kann helfen, ich habe Aufträge, das ist wirklich wie Therapie für mich."
Aus Protest wird Hilfe
Nachdem die Soldaten Essen und Zigaretten bekommen haben, fährt das Team noch nach Sderot. Wegen der vielen Raketen, die dort eingeschlagen sind, ist das inzwischen eine Geisterstadt. Doch die "Brothers und Sisters in Arms" haben haufenweise Katzenfutter dabei für die Tiere, die hiergeblieben sind.
Ein ganzes Land hat mobilgemacht. Und aus Protest und Spaltung ist eine gewaltige Hilfsbewegung geworden.