Regierung strebt Neuwahlen an Israel steht vor unruhigen Zeiten
Israels Regierung will das Parlament auflösen, Neuwahlen könnten im Oktober stattfinden - es wäre die fünfte Wahl binnen drei Jahren. Laut Umfragen kann sich Ex-Premier Netanyahu Hoffnung auf Wiederwahl machen.
Zumindest an der Spitze dieser Regierung gab es am Abend noch Einigkeit: Noch-Premierminister Naftali Bennett und Außenminister Yair Lapid traten gemeinsam vor die Presse, lobten die gemeinsame Arbeit und Bennet kündigte an, was vorher schon durchgesickert war: "Mein Freund, Außenminister Yair Lapid und ich haben gemeinsam entschieden, das Parlament aufzulösen und einen Termin für Neuwahlen festzulegen." Bis zu diesen Neuwahlen soll Lapid die Regierung geschäftsführend leiten.
Schon seit Wochen war die Unterstützung für die Regierung gebröckelt. Spätestens im Mai hatte sie keine Mehrheit in der Knesset mehr, seit eine Abgeordnete die Seiten gewechselt hatte.
Streit um Gesetz für Siedler
Vor allem gab es keine Mehrheit für die Verlängerung eines Gesetzes, das die Rechte israelischer Siedler im besetzten Westjordanland sichert. Das Gesetz läuft Ende des Monats ab - für die Opposition, in der weite Teile die Siedler unterstützen, eine Gelegenheit, die Regierung vor sich her zu treiben. "In den vergangenen Wochen haben wir alles getan, um die Regierung zu erhalten, was für uns auch im nationalen Interesse liegt", sagte Bennett.
"Vergangenen Freitag führte ich eine Reihe von Gesprächen mit Vertretern des Sicherheitsapparats und des Gerichts und verstand endgültig, dass in zehn Tagen mit Ablauf der Judäa- und Samaria-Gesetze der Staat Israel schwere Sicherheitseinbußen erleiden und in ein Chaos verfallen würde", so Bennett weiter. Das habe er nicht zulassen können. Im Falle einer Auflösung der Knesset wird das Gesetz für die Siedler automatisch verlängert.
Diese Regierungskoalition aus acht höchst unterschiedlichen Parteien, war ein Experiment gewesen, das immerhin über ein Jahr halbwegs funktioniert hat. Parteien vom rechten Rand, aus dem linken Lager und zum ersten Mal auch eine Partei, die die Interessen der arabischen Israelis vertritt, einte vor allem der Wille, eine weitere Amtszeit von Benjamin Netanyahu zu verhindern.
Der hatte Israel fast 15 Jahre regiert - und steht seit 2019 wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vor Gericht. Darüber hinaus waren die Schnittmengen recht gering, kritische Themen wurden meist umschifft.
Dabei braucht Israel dringend politische Stabilität, betonte Lapid: Auch wenn wir in einigen Monaten in einen neuen Wahlgang gehen, können die Herausforderungen nicht warten. Wir müssen die hohen Lebenshaltungskosten senken, den Kampf gegenüber der Hisbollah, dem Iran und der Hamas leiten und uns gegen die Kräfte stellen, die drohen, Israel in einen undemokratischen Staat zu verwandeln." Was in den letzten Tagen geschehen sei, sei ein Beispiel dafür, dass das israelische System eine grundlegende Änderung braucht, so Lapid.
Netanyahu könnte wiedergewählt werden
Oberwasser hat nun Netanyahu. Seine Umfragewerte sind gut, er kann sich Hoffnung auf eine Wiederwahl machen. Entsprechend gut gelaunt erklärte er am Abend: "Für Millionen Bürger in Israel ist dies ein Abend der frohen Kunde. Ein Jahr nach einem entschlossenen Kampf der Opposition im Parlament und großem Leid des Volkes in Israel ist nun allen klar, dass die Regierung, die in der Geschichte des Staates die erfolgloseste Regierung darstellt, nun an das Ende ihres Weges gelangt ist."
Beobachter befürchten allerdings, dass die politische Hängepartie in Israel auch nach einer möglichen Wahl Ende Oktober andauern könnte.
Forderung nach neuem Wahlsystem
Es wäre die fünfte Wahl in dreieinhalb Jahren. Anmon Abramovich, Kommentator für den Fernsehsender Channel 12 sagte: "Nach den zweiten Wahlen haben wir bereits vor einem möglichen dritten Wahlgang gewarnt. Es gibt keine Sicherheit, dass wir nicht auch in einen sechsten oder siebten Wahlgang rutschen. Solange das Wahlsystem nicht geändert wird, werden der Staat und die Gesellschaft durch viele Wahlgänge zerfallen."
Nach etwas über einem Jahr relativer Stabilität stehen Israel politisch unruhige Zeiten bevor.