Nach Hinrichtung Sharmahds Auswärtiges Amt bestellt Irans Botschaftsleiter ein
Die Bundesregierung zieht nach der Hinrichtung des deutschen Staatsbürgers Sharmahd im Iran erste Konsequenzen. Das Auswärtige Amt bestellte den Leiter der iranischen Botschaft ein. Weitere Maßnahmen könnten folgen.
Nach der Hinrichtung des im Iran inhaftierten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd hat das Auswärtige Amt den iranischen Geschäftsträger in Berlin einbestellt. "Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt und behalten uns weitere Maßnahmen vor", erklärte das Außenministerium im Online-Dienst X.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat dem Auswärtigen Amt zufolge zudem den deutschen Botschafter in Teheran zu Konsultationen nach Berlin zurückberufen. Der hatte in Teheran bereits gegen die Hinrichtung protestiert. Zuvor hatte Baerbock die Exekution in einer Mitteilung ihres Ministeriums als "Ermordung" bezeichnet. Ihr Haus habe "Teheran immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird".
Tötung zeige menschenverachtendes Regime des Iran
Baerbock sagte mit Blick auf die Familie Sharmahds, für sie sei "heute das Schlimmste geschehen. Seiner Familie, mit der wir immer im engsten Austausch waren und sind, gilt mein ganzes Mitgefühl für diesen schrecklichen Verlust." Die Außenministerin erinnerte zudem an die Vorgeschichte: Sharmahd sei aus Dubai nach Iran verschleppt worden, ohne faires Verfahren jahrelang festgehalten und jetzt getötet worden.
Die Tötung von Sharmahd zeige "erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht: Ein Regime, das gegen seine Jugend, gegen seine eigene Bevölkerung und gegen ausländische Staatsangehörige mit dem Tod vorgeht." Dies unterstreiche, dass offensichtlich auch unter der neuen Regierung niemand sicher sei, erklärte die Ministerin.
Sharmahds Tochter macht der Politik Vorwürfe
Sharmahds in den USA lebende Tochter Gazelle warf der US-Regierung und der Bundesregierung vor, nichts für die Freilassung ihres Vaters getan zu haben. "Abgesehen davon, dass sie dich bei jeder Geiselverhandlung im Stich gelassen haben, was haben sie für dich vorzuweisen?", schrieb sie an ihren Vater gerichtet auf X. Sie verlangt konkrete Beweise für die Tötung ihres Vaters und wirft der Bundesregierung vor, "wieder einmal den verlogenen Dschihadisten" zu glauben. "Haben sie dich gesehen?", schreibt sie auf X. "Haben sie deine Leiche gesehen?"
Falls sich die Tötung durch Beweise bestätigt, fordert Gazelle Sharmahd die Rückführung der Leiche ihres Vaters, damit sie ihn begraben können. Außenministerin Baerbock telefonierte bereits gestern mit ihr und sprach ihr im Namen der Bundesregierung ihr Beileid aus. "Wir unterstützen den ausdrücklichen Wunsch der Tochter, den Leichnam von Djamshid Sharmahd schnell zu überführen, damit seine Familie Abschied nehmen kann" hieß es aus dem Auswärtigen Amt.
Baerbock hatte sich in der Vergangenheit mehrfach bei den iranischen Außenministern persönlich für die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd eingesetzt. Irans Justiz verweigerte aber bis zuletzt konsularischen Zugang.
Scholz spricht von "Skandal"
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte die Hinrichtung aufs Schärfste. Scholz sprach in einem Post auf der Plattform X von einem "Skandal".
"Jamshid Sharmahd hat nicht einmal die Gelegenheit erhalten, sich im Prozess gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen", schrieb Scholz. "Die Bundesregierung hat sich immer wieder intensiv für Herrn Sharmahd eingesetzt. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie."
Merz für Herabstufung der diplomatischen Beziehungen
Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) forderte, den iranischen Botschafter aus Deutschland auszuweisen. "Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt", schrieb Merz bei X. Er sprach von einem "scheußlichen Verbrechen". Merz hatte die politische Patenschaft für Sharmahd übernommen.
Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, "die an den an Jamshid Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!"
Die EU erwägt Maßnahmen als Reaktion
Auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte die Hinrichtung Sharmahds. "Die EU lehnt die Todesstrafe jederzeit und unter allen Umständen entschieden ab", schrieb Borrell auf der Plattform X. "Wir teilen den Schmerz der Familie und der Angehörigen und bekunden unsere Solidarität mit der deutschen Regierung, mit der wir in Kontakt stehen", schrieb er weiter. Die EU erwäge "Maßnahmen" als Reaktion auf die Hinrichtung, schrieb er weiter, ohne Einzelheiten zu nennen.
Iran verteidigt Hinrichtung
Der iranische Außenminister Abbas Araghchi wies Deutschlands Kritik an der Hinrichtung zurück. "Kein Terrorist genießt im Iran Straffreiheit. Auch nicht, wenn er von Deutschland unterstützt wird", erklärte Araghchi auf der Plattform X. Auch ein deutscher Pass könne einen "terroristischen Straftäter" nicht schützen. Den Iran für Sharmahds Hinrichtung zu verurteilen, verdrehe die Tatsachen. Araghchi warf Sharmahd vor, bei einem Anschlag auf eine Moschee "14 unschuldige Menschen", darunter Frauen und Kinder, getötet zu haben. Dafür gebe es öffentlich einsehbare Beweise.
Außerdem hat der Iran seinerseits den deutschen Botschafter einbestellt. Die Einbestellung sei wegen der Einmischung "einiger deutscher Regierungsvertreter" in die Rechtssprechung der Islamischen Republik Iran erfolgt, erklärte das Außenministerium in Teheran.
Entführung durch Geheimdienst und jahrelange Isolationshaft
Der damals 68-jährige Jamshid Sharmahd war im Februar vergangenen Jahres zum Tode verurteilt worden, im April 2023 wurde das Urteil bestätigt. Er war im Sommer 2020 während einer Reise aus Dubai in den Iran verschleppt worden; mehrere Berichte sprechen von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst. Seitdem saß er in iranischer Isolationshaft.
Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen Sharmahd vehement zurück. Auch wurde der Prozess gegen Sharmahd als grob unfair bezeichnet - er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als "Richter des Todes", der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.
Einsatz für iranische Oppositionsgruppen
Sharmahd wurde 1955 in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren, war im Alter von sieben Jahren nach Deutschland gekommen und wuchs in Peine und Hannover auf. Seit 1995 besaß er auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
Zuletzt lebte er in den USA, wo er ein Software-Unternehmen aufgebaut hat. Immer wieder setzte er sich für iranische Oppositionsgruppen ein.