Berüchtigte Haftanstalt im Iran Verletzte bei Brand im Ewin-Gefängnis
Bei einem Großbrand im Ewin-Gefängnis in Teheran sind laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna neun Menschen verletzt worden. In dem Gefängnis sind zahlreiche politische Gefangene inhaftiert - auch Teilnehmer der jüngsten Proteste.
Im Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran ist ein Feuer ausgebrochen. Die Gefängnisleitung bestätigte Berichte der Teheraner Tageszeitung "Shargh" und der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Mindestens neun Menschen sollen verletzt worden sein. Eine Anwohnerin berichtete der ARD, sie habe Schreie und Explosionen gehört. In sozialen Netzwerken ist zu lesen, dass es auch Schüsse in dem berüchtigten Gefängnis gegeben haben soll.
"Mehrmals war eine laute Explosion aus dem Gefängnis zu hören", berichtete ein "Shargh"-Reporter beim Messengerdienst Telegram. "Die Straßen, die zum Ewvin-Gefängnis führen, sind gesperrt. Der Geruch von Tränengas ist um das Gefängnis herum zu riechen. Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge bewegen sich auf das Gefängnis zu."
Ein von der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights veröffentlichtes Video zeigte Flammen und eine Rauchwolke über dem Gefängnis, zudem waren offenbar Schüsse zu hören. Im Hintergrund des Videos waren "Tod dem Diktator"-Rufe zu hören.
Die Organisation berichtete auf Twitter auch, dass sich zahlreiche Menschen zu Fuß auf den Weg zum Gefängnis gemacht hätten. Ein von Iran Human Rights gepostetes Video zeigte ein von Autos verstopfte Straße und Zufahrten.
Die Gefängnisleitung sagte der iranischen Nachrichtenagentur Irna zufolge, "Hooligans und Randalierer" hätten eine Auseinandersetzung mit den Gefängniswärtern begonnen und dann auch das Textillager der Anstalt in Brand gesteckt. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht.
Teherans Staatsanwalt betonte, es handelte sich bei dem Zwischenfall um einen "internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben". Er bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen wie ein Lauffeuer im Land ausgebreitet haben.
Einem Irna-Bericht zufolge wurden neun Menschen verletzt, Tote soll es demnach nicht geben. Die Lage in dem Gefängnis sei wieder unter Kontrolle, so die Gefängnisleitung. Ob der Brand im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten stand, ist bislang unklar.
"Schüsse werden abgefeuert, während Ewin brennt", schrieb der Wissenschaftler Roham Alvandi von der London School of Economics auf Twitter. "Sollten politische Gefangene dort umkommen, wird dies ein Vorfall von den Ausmaßen des 'Cinema Rex'-Brandes in Abadan im August 1978 sein, der den Sturz des Schahs beschleunigt hat."
Bei einem Brandanschlag auf das "Cinema Rex" waren rund 400 Menschen ums Leben gekommen. Der Vorfall am Vorabend der iranischen Revolution löste Proteste gegen den Schah aus, auch wenn die Hintergründe des Anschlags nie aufgeklärt wurden.
Spontane Proteste in deutschen Städten
In Berlin trafen sich kurz nach Mitternacht mehrere hundert Exil-Iraner vor dem Auswärtigen Amt in Berlin-Mitte, um gegen die Zustände im Iran und besonders im Ewin-Gefängnis zu protestieren. Die Demonstranten in Berlin forderten die westlichen Staaten auf zu handeln. Auch in Frankfurt und Hamburg versammelten sich am späten Abend spontan mehrere Menschen vor den iranischen Generalkonsulaten.
Die USA zeigten sich besorgt über die dramatische Lage im Ewin-Gefängnis. "Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit", schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, auf Twitter. "Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten." In dem Gefängnis sind mehrere US-Bürger inhaftiert.
Die Familie des US-Bürgers Siamak Namazi erklärte in einer Reaktion auf die Berichte von den Unruhen und dem Feuer, sie sei "zutiefst beunruhigt" und habe nichts von Namazi gehört. Die Schwester eines weiteren in dem Gefängnis inhaftierten US-Bürgers schrieb auf Twitter, sie sei "krank vor Sorge".
Menschenrechtler kritisieren die Zustände
Das Ewin-Gefängnis im Norden Teherans gilt als Haftanstalt mit den schlimmsten Bedingungen im Iran. Menschenrechtsgruppen kritisieren die dortigen Zustände schon seit längerem. In dem Gefängnis sitzen zahlreiche politische Gefangene ein.
Auch hunderte bei den Protesten der vergangenen Wochen festgenommene Demonstranten sollen ins Ewin-Gefängnis gebracht worden sein, darunter auch viele Studierende der Teheraner Scharif-Universität. "Sie haben Teheran in ein Gefängnis verwandelt und das Ewin-Gefängnis in eine Universität", sangen kürzlich Studierende, wie in einem Video im Netz zu hören ist.
Auch der ehemalige Nationalspieler Hossein Mahini soll Anfang Oktober im Ewin-Gefängnis in Einzelhaft gesessen haben, nachdem er wegen Solidaritätsbekundungen mit der aufständischen Frauenbewegung festgenommen wurde. Gegen eine Kaution von umgerechnet 30.000 Euro wurde er einem Medienbericht zufolge wieder aus der Haft entlassen.
Die Proteste im Iran gingen am Samstag weiter. Bei einer Demonstration an der Schariati-Universität in der Hauptstadt Teheran riefen Frauen ohne Kopftücher Slogans wie "Die Mullahs sollen sich verziehen!", wie ein im Internet verbreitetes Video zeigte. Weitere Proteste wurden unter anderem aus Isfahan und Kermanschah gemeldet.
Mit Informationen von Isabel Schayani, WDR