Trotz Foltervorwürfen Interpol wählt al-Raisi zu neuem Chef
Ihm wird Folter-Beteiligung vorgeworfen - deshalb laufen in fünf Ländern Klagen gegen den Generalmajor aus den Emiraten, al-Raisi. Nun hat die Polizeiorganisation Interpol diesen Mann zu ihrem neuen Chef gewählt.
Die internationale Polizeiorganisation Interpol hat einen Generalmajor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Ahmed al-Raisi, zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Al-Raisi war bisher Generalinspekteur beim dortigen Innenministerium. Bei einer Vollversammlung der 195 Interpol-Mitgliedsstaaten in Istanbul bekam er die erforderliche Mehrheit für eine vierjährige Amtszeit, wie die Organisation auf Twitter mitteilte.
Ex-Präsident verschwand während China-Reise
An dem dreitägigen Treffen in Istanbul nahmen rund 470 Polizeichefs, Minister und weitere Vertreter aus mehr als 160 Ländern teil. Jedes teilnehmende Land durfte eine Stimme bei der Wahl abgeben. Interpol teilte mit, al-Raisi habe das Präsidentenamt nach drei Wahlgängen mit 68,9 Prozent der Stimmen bekommen.
Die Wahl wurde mit Spannung beobachtet, nachdem der frühere chinesische Präsident von Interpol, Meng Hongwei, während einer Reise nach China 2018 verschwunden war. Er wurde inhaftiert und der Korruption beschuldigt. Wegen seines Rücktritts wurde der südkoreanische Interpol-Vizepräsident Kim Jong Yan Präsident. Seine Amtszeit sollte eigentlich 2020 enden, wurde aber wegen der Coronavirus-Pandemie um ein Jahr verlängert.
Emirate könnten politische Gegner verhaften
Kritiker äußerten die Sorge, dass die Vereinigten Arabischen Emirate - im Falle einer Wahl ihres Kandidaten - mit Hilfe des Einflusses von Interpol im Exil lebende Dissidenten und politische Gegner im Land verhaften könnten.
Hiba Zayadin von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagte im Gespräch mit der ARD: "Ungeachtet dessen, wie sich die VAE darzustellen versuchen, sind sie wohl einer der autoritärsten aller Golfstaaten. Die Behörden der VAE missachten seit 2011 fortwährend die Meinungsfreiheit. Die Regierung verhaftet willkürlich Personen, die die Behörden kritisieren, und lässt sie gewaltsam verschwinden", so Zayadin. "Einwohner der VAE, die Menschenrechtsfragen angesprochen haben, sind ernsthaft von willkürlicher Inhaftierung, Inhaftierung und Folter bedroht."
Al-Raisi ist gut vernetzt
Al-Raisi hätte während seiner Präsidentschaftskampagne weltweit Abgeordnete und Regierungsvertreter getroffen. Er stellte seine akademischen Abschlüsse von Institutionen in Großbritannien und den USA sowie jahrelange Erfahrung in der Polizeiarbeit heraus. Al-Raisi sagte Interpol zufolge, es sei "eine Ehre, gewählt worden zu sein, um als nächster Präsident von Interpol zu dienen. Interpol ist eine unverzichtbare Organisation, die auf der Stärke ihrer Partnerschaften beruht."
Al-Raisis Kritiker: Beweise für "Folterpolitik"
Aus Sicht von Kritikern steht al-Raisi für einen aggressiven Sicherheitsapparat, in dem Menschen mit kritischer Haltung gegenüber der Regierung willkürlich festgenommen oder gar gefoltert werden. In mindestens fünf Ländern wurden gegen ihn im Zusammenhang mit Foltervorwürfen Klagen eingereicht. In der Türkei haben Anwälte im Namen des Golfzentrums für Menschenrechte Anzeige gestellt. Es gebe klare Beweise, dass er für "Folterpolitik" gegen politische Gegner verantwortlich sei, heißt es in der Anzeige.
Emirate zweitgrößte Beitragszahler
Die Emirate hatten schon 2015 mit Spenden an Interpol im großen Stil begonnen und die Frage aufgeworfen, ob das Land sich damit Einfluss erkaufen will. Die Organisation mit Sitz in Lyon lebt von den Beiträgen der 195 Mitgliedsstaaten. Die Emirate sind nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler.
Für die Tagesgeschäfte von Interpol ist der Generalsekretär zuständig. Amtsinhaber ist der Deutsche Jürgen Stock. Der Präsident überwacht aber die Polizeiarbeit und gibt die allgemeine Richtung der Polizeibehörde mit vor.
Interpol teilte mit, Valdecy Urquiza aus Brasilien sei zum Vizepräsidenten der Polizeibehörde für Amerika gewählt worden, Garba Baba Umar aus Nigeria sei zum Vizepräsidenten für Afrika bestimmt worden. Die Interpol-Delegierten stimmten dafür, Mikronesien als 195. Mitglied der Polizeibehörde aufzunehmen.
Mit Informationen von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo