Außenminister-Treffen in Berlin Forderungen nach Waffenruhe in Gaza-Konflikt
Im Gazastreifen dauern die seit Monaten heftigsten Kämpfe an. Das Blutvergießen müsse aufhören, forderte Außenministerin Baerbock. Die UN mahnten Israel und Palästinenser zur Zurückhaltung.
Deutschland, Frankreich, Ägypten und Jordanien haben angesichts des jüngsten Gewaltausbruchs zwischen Israelis und Palästinensern eine sofortige Waffenruhe verlangt. "Mit jedem neuen Tag, an dem Menschen sterben, wird es nur weitere Verlierer geben und keine Gewinner. Nirgendwo. Das Blutvergießen muss daher jetzt aufhören", forderte Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin nach einem Treffen im Rahmen des sogenannten Münchner Prozesses mit dem ägyptischen Außenminister Samih Schukri, dessen jordanischem Amtskollegen Ayman Safadi und der französischen Außenministerin Catherine Colonna.
Baerbock betonte, für die Bundesregierung sei Israels Sicherheit Staatsräson. Israel habe wie jedes andere Land das Recht, seine Bevölkerung gegen Angriffe zu verteidigen. Ihr ägyptischer Amtskollege Schukri entgegnete Baerbock laut offizieller Übersetzung, man könne nicht sagen, dass die eine Seite sich verteidigen dürfe, die andere aber nicht. Beide Parteien dürften sich verteidigen. Die Palästinenser hätten zudem ein Recht darauf, einen eigenen Staat zu gründen, betonte Schukri.
Alle vier Ministerinnen und Minister sprachen sich erneut für eine Zwei-Staaten-Lösung als Grundlage für ein Ende des Konflikts aus, also ein unabhängiges Palästina neben Israel.
UN äußern "ernsthafte Bedenken"
Auch das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen zeigte sich alarmiert über die Eskalation im Gazastreifen. Es gebe "ernsthafte Bedenken", ob die israelischen Luftangriffe der vergangenen Tage ausreichend Rücksicht auf Zivilisten nahmen und angemessen waren, erklärte ein Sprecher in Genf. Auf der anderen Seite verletze wahlloser Raketenbeschuss israelischer Ziele aus dem Gazastreifen das humanitäre Völkerrecht. Er rief alle Parteien zu deeskalierenden Maßnahmen auf. Sämtliche Tötungen, insbesondere die von Zivilisten, seien schnell und transparent zu untersuchen.
Die Kämpfe zwischen militanten Palästinensern im Gazastreifen und Israels Armee dauerten ungeachtet der Bemühungen um eine Waffenruhe an. In der Nacht meldeten die israelischen Streitkräfte die gezielte Tötung eines weiteren hochrangigen Mitglieds der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen. In mehreren israelischen Städten heulten tagsüber erneut die Sirenen.
Palästinensische Rettungskräfte inspizieren ein Haus im südlichen Gazastreifen, in dem der Kommandeur des Islamischen Dschihad, Ahmed Abu Daqqa, bei einem israelischen Angriff getötet worden sein soll.
Erster Toter auf israelischer Seite
Auch auf israelischer Seite wurde eine Person getötet, wie die Nachrichtenagenturen AP und dpa unter Berufung auf israelische Angaben berichten. Demnach starb ein 70-jähriger Mann beim Einschlag einer palästinensischen Raketen in sein Wohnhaus in der Stadt Rehovot nahe Tel Aviv. Weitere Menschen seien verletzt worden.
Militante Palästinenser hatten als Reaktion auf die israelischen Angriffe nach Angaben der israelischen Armee mehr also 540 Raketen auf Israel abgefeuert. Rund 390 davon überquerten demnach die Grenze. Die israelische Armee begründete ihre Schläge wiederum mit Raketenangriffen aus dem Gazastreifen in den vergangenen Wochen.
Nach von den Vereinten Nationen überprüften Angaben kamen bei Angriffen seit Beginn der israelischen Militäroffensive "Schild und Pfeil" am Dienstag insgesamt 25 Palästinenser im Gazastreifen ums Leben, darunter Zivilisten. Unter den Getöteten sind laut UN mindestens drei hochrangige Mitglieder des Islamischen Dschihad.
Ägypten will erneut Waffenruhe vermitteln
Medienberichten zufolge soll sich heute eine ägyptische Delegation auf den Weg nach Israel gemacht haben, um dort Gespräche über eine Waffenruhe zu führen. Vertreter des Islamischen Dschihads trafen unterdessen in Kairo zu Verhandlungen ein. Bisherige Gespräche blieben nach Angaben des ägyptischen Außenministers jedoch erfolglos.
Nach Angaben der israelischen Streitkräfte richten sich die Angriffe ausschließlich gegen den Islamischen Dschihad. Die Organisation soll auch für die Raketen auf Israel verantwortlich sein. Unklar ist noch die Rolle der Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert.
Bisher feuerte die Hamas, die von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, offenbar selbst keine Raketen auf Israel. Gleichzeitig betonte ihr Sprecher Hasem Qasim gegenüber der Nachrichtenagentur Shebab die Einheit verschiedener palästinensischer Organisationen im Kampf gegen Israel: "Wir versichern unseren Leuten, dass wir diese Antwort gemeinsam und koordiniert ausgeführt haben, weil es Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Gruppen gibt. Und wir betonen nochmals, dass Koordination und Einheit eine der Quellen für die Stärke des Widerstandes ist."
Heftigste Kämpfe seit Monaten
Die derzeitigen Kämpfe sind die heftigsten zwischen Israel und militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen seit Monaten. Gleichzeitig ist die Lage auch im von Israel besetzten Westjordanland schon seit mehr als einem Jahr extrem angespannt. Immer wieder fallen Israelis, vielfach Siedler im Westjordanland, Anschlägen zum Opfer, dutzende Palästinenser kamen bei israelischen Razzien ums Leben.
Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem den Gazastreifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. 2005 zog sich Israel aus dem Gazastreifen zurück. Die Palästinenser wollen die Gebiete für einen eigenen Staat Palästina - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.