Grenzübergang Rafah geöffnet Hunderte Ausländer verlassen Gazastreifen
Ägypten hat den Grenzübergang Rafah für Ausländer geöffnet. Etwa 300 Menschen verließen den Gazastreifen, auch erste Deutsche waren darunter. Das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wird immer größer.
Die Grenze vom Gazastreifen nach Ägypten ist offen, aber längst nicht für alle. Heute wurden erstmals 81 Verletzte über die Grenze gebracht. In Ägypten wurde ein Feldlazarett für sie eingerichtet. Auch die ersten Palästinenserinnen und Palästinenser mit einem ausländischen Pass konnten über die Grenze. 10.000 dieser Menschen gibt es, darunter rund 500 Deutsche.
Das Auswärtige Amt teilte auf der Plattform X (vormals Twitter) mit, dass erste deutsche Staatsbürger am Grenzübergang Rafah von einem Team der Botschaft in Kairo in Empfang genommen worden seien. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, es handle sich um eine niedrige einstellige Zahl Deutscher, die als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen im Gazastreifen waren.
Die Angaben dazu, wie viele Menschen die Grenze bereits überquert haben, sind unterschiedlich: Der Ägyptische Rote Halbmond bestätigte der Nachrichtenagentur dpa die Einreise von 285 Personen. Die Nachrichtenagentur AP berichtet unter Berufung auf einen Sprecher der palästinensischen Grenzübergangsbehörde bereits von 335 Personen. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, seien darunter auch Deutsche.
UN-Mitarbeiterin berichtet von unhaltbaren Zuständen
Nina Schöler, die als Psychologin und Psychotherapeutin für die UNRWA, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, arbeitet, bleibt vorerst im Gazastreifen. Sie berichtet von unhaltbaren Zuständen. In Rafah, wo sie ist, versuchen 13.000 Menschen, sich in einer UN-Einrichtung in Sicherheit zu bringen. Es gibt dort 16 Toiletten - und entsprechend viele Krankheiten.
Die Lage verschlechtere sich weiter von Minute zu Minute, so Schöler, und die Leute seien immer verzweifelter. Die öffentliche Ordnung breche immer mehr zusammen. "Die Leute sind so verzweifelt, dass sie wirklich alles daran tun und sich körperlich auch in Gefahr bringen, nur um einen Sack Mehl zu stehlen. Und das sind ganz tragische Szenen, die man dabei miterleben muss."
Innerisraelische Kritik an Zulassung von Hilfslieferungen
Etwas mehr als 200 Lkw mit Hilfsgütern wurden seit Kriegsbeginn über die Grenze gelassen. Vorher kamen rund 500 Lkw an einem normalen Werktag. Und weil durch die israelischen Luftangriffe 52 UN-Einrichtungen beschädigt wurden und sieben direkt getroffen, ist es schwer, die Waren zu lagern.
Israel hat angekündigt, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Doch nicht alle sind damit einverstanden. Itamar Ben-Gvir, der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, sagte in einer Videobotschaft: "Während Raketen auf uns abgefeuert werden und es noch Geiseln gibt, lässt die israelische Regierung Lastwagen durch. Das ist ein Riesenfehler." Humanitäre Hilfe nur gegen humanitäre Hilfe, so seine Forderung. "Wenn sie humanitäre Hilfe wollen, sollen sie die Geiseln freilassen. Bis dahin dürfen keine Güter in den Gazastreifen rein."
Ben-Gvir sagte weiter: "Man will keine Bilder leidender Kinder und der Zivilbevölkerung sehen? Bitteschön. Die schottische Regierung hat angekündigt, Flüchtlinge aus dem Gazastreifen, Frauen und Kinder aufzunehmen. Sollen sie sie dahin bringen. Die Hamas wird vernichtet."
Unendliches Leid der Zivilbevölkerung
Nina Schöler hat im Süden des Gazastreifens ein ganz anderes Bild der Lage. Sie war heute bei einer Familie, als diese gerade von dem Tod einer nahen Angehörigen erfuhr.
"Es ist einer der schlimmsten Anblicke meines bisherigen Lebens", sagte Schöler, den Horror, die Ungläubigkeit, die Verzweiflung in den Gesichtern der Menschen zu sehen, die gerade erfahren hätten, dass ihre Schwester, ihre Tochter getötet worden sei, die im neunten Monat schwanger war und zwei Kinder zurücklässt. "Das ist eine von Tausenden von Situationen, die aktuell hier in Gaza ablaufen."
Mehr als 8.700 Tote gibt es inzwischen in diesem Krieg im Gazastreifen laut Zahlen, die die Vereinten Nationen veröffentlicht haben. Zwei Drittel dieser Toten sind demnach Frauen und Minderjährige. Bei der Bodenoffensive sind inzwischen 13 israelische Soldaten getötet worden.
Drohung der Hamas
Ismail Hanija, einer der Führer der Hamas, die im Ausland leben, richtete in einer Videobotschaft harte Worte an Israel: "Diese arrogante Truppe sollte wissen, dass sie im Sand von Gaza ertrinken werden. Das wird sie viel kosten, an allen Fronten, auch das Leben ihrer Geiseln, die demselben Maß an Zerstörung und Tod ausgesetzt sind wie unsere Leute."
Israel hat angekündigt, die Bodenoffensive und auch die Angriffe von Zielen aus der Luft und mit Artillerie noch auszuweiten. Dieser Krieg wird noch Wochen, wenn nicht Monate dauern.