Zwölf Jahre nach AKW-Havarie Tepco lässt Fukushima-Kühlwasser ins Meer ab
Japan hat damit begonnen, das aufbereitete radioaktive Wasser aus dem zerstörten AKW Fukushima ins Meer zu leiten. Laut Betreiberkonzern Tepco wird die Verklappung wohl mehrere Jahrzehnte dauern - der Ärger bei Anrainerstaaten ist groß.
Rund zwölf Jahre nach dem Super-Gau im AKW Fukushima hat Japans Regierung ihre Ankündigung wahrgemacht: Seit 13 Uhr Ortszeit wird das aufbereitete Kühlwasser aus der Atomruine im Meer entsorgt. Das gab der Betreiberkonzern Tepco bekannt. Ungeachtet großer Sorgen unter Fischern und Nachbarstaaten wie China leitete Tepco den ersten Schub an aufbereitetem Wasser in einen hierfür in den Pazifik gebauten, einen Kilometer langen Tunnel ein.
In einer Live-Videoschalte aus dem Kontrollraum im Kraftwerk des Unternehmens war zu sehen, wie ein Mitarbeiter eine Seewasserpumpe betätigte und so das umstrittene Prozedere in Gang setzte. "Seewasserpumpe A ist aktiviert", erklärte er. Über die nächsten 17 Tage will Tepco in einem ersten Schub rund 7.800 Tonnen des Kühlwassers ins Meer leiten, hieß es. Bis Ende März nächsten Jahres sollen so insgesamt 31.200 Tonnen entsorgt werden.
1,3 Millionen Tonnen lagern in Tanks
Im AKW Fukushima war es im März 2011 in Folge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis zu Kernschmelzen gekommen. Mehr als zwölf Jahre danach müssen die zerstörten Reaktoren weiter mit Wasser gekühlt werden. Durch einsickerndes Regen- und Grundwasser nimmt die Menge verstrahlten Wassers täglich zu. In rund 1000 Tanks lagern inzwischen mehr als 1,3 Millionen Tonnen davon.
Laut AKW-Betreiber Tepco geht der Platz zur Lagerung des Wassers aus. Zudem drohe eine langfristige Lagerung auf dem Gelände die Stilllegungsarbeiten an der Atomruine zu behindern. Auch könnten Lecks entstehen. Die Verklappung der riesigen Wassermengen wird voraussichtlich etwa 30 Jahre in Anspruch nehmen.
IAEA-Kontrolleure hatten keine Einwände
Vor der Einleitung in den Pazifik wird das belastete Kühlwasser zwar aufbereitet, das Filtersystem kann das radioaktive Isotop Tritium aber nicht herausfiltern. Tepco verdünnt das Wasser daher so weit mit Meerwasser, dass die Tritiumkonzentration auf 1500 Becquerel pro Liter sinkt, was dem Betreiber zufolge weniger als einem Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm entspricht.
Erst diese Woche hatte Ministerpräsident Fumio Kishida grünes Licht für die sogenannte Verklappung von aufbereitetem Kühlwasser aus Fukushima gegeben, sofern das Wetter mitspiele. Kishida bezeichnete das Ablassen des Wassers als alternativlos, wenn man Fortschritte bei der vollständigen Stilllegung der Atomanlage und der Erholung von Fukushima erreichen wolle. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) hatte der Verklappung zugestimmt und erklärt, Japan erfülle die internationalen Sicherheitsstandards.
Experte: "Ein völlig akzeptierter Vorgang"
Clemens Walther, Professor am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz in Hannover, hat keine Bedenken gegen das Ableiten des Wassers ins Meer. Auch an anderen Reaktoren überall auf der Welt werde Wasser ins Meer eingeleitet, was dort ein "ein völlig akzeptierter Vorgang" sei. Im tagesschau.de-Interview sagte er auf die Frage, ob es aus seiner Sicht radioökologische Gründe gebe, die Einleitung zu verbieten: "Die Antwort ist ein ganz klares Nein."
Begleitet wurde die Einleitung des Kühlwassers von wütenden Protesten. Eine Gruppe von Bürgern demonstrierte nahe der Atomanlage mit Transparenten und Sprechchören gegen die Verklappung. Die heimische Fischereiindustrie ist vehement gegen die Entsorgung des Wassers aus Fukushima ins Meer. Sie befürchtet, dass Meeresfrüchte aus Japan dadurch in Verruf kommen könnten.
China: "Saboteur des ökologischen Systems"
Auch China reagierte ungehalten: "Das gewaltsame Einleiten in den Ozean ist ein extrem egoistischer und unverantwortlicher Akt, der das globale öffentliche Interesse missachtet", hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Peking. Japan habe sich zu einem "Saboteur des ökologischen Systems und einem Verschmutzer der globalen Meeresumwelt gemacht", hieß es. Die Entsorgung sei keineswegs nur eine Angelegenheit Japans.
Als Reaktion stoppte China die Einfuhr von Meeresfrüchten aus Japan. Das Verbot trete mit sofortiger Wirkung in Kraft, gab die Zollbehörde der Volksrepublik bekannt. Betroffen seien alle Importe von "aquatischen Produkten". Die Behörden würden relevante Vorschriften "dynamisch anpassen", um Risiken des Ablassens von nuklearverseuchtem Wasser für die "Gesundheit und die Lebensmittelsicherheit unseres Landes abzuwenden", hieß es in der Mitteilung weiter.