Minister-Austausch in Peking Was ist los in Chinas Führungsriege?
Erst der Außenminister, dann der Verteidigungsminister: Chinas Staatschef Xi hat binnen kurzer Zeit zwei Vertraute geschasst. Ein Zeichen der Schwäche oder der Stärke?
Im März standen sie bei ihrer Vereidigung als Staatsräte in der Großen Halle des Volkes in Peking noch fast nebeneinander auf dem roten Teppich: Qin Gang und Li Shangfu, damals Außen- und Verteidigungsminister. Nur wer in der Gunst von Staats- und Parteichef Xi Jinping steht, schafft es so weit hoch in die Führungsriege der Kommunistischen Partei Chinas.
Doch wer aufsteigt, kann auch tief fallen. Im Fall von Qin und Li bereits nach wenigen Monaten im Amt.
Im März waren sie noch im Zentrum der Macht in Peking: Qin Gang (links) und Li Shangfu (rechts) bei ihrer Vereidigung in der Großen Halle des Volkes. In der Mitte: Generalsekretär Wu Zhenglong.
25. Juni: Das chinesische Staatsfernsehen CCTV zeigt den letzten öffentlichen Auftritt des damaligen chinesischen Außenministers Qin. Etwa einen Monat später wird er durch seinen Vorgänger Wang Yi ersetzt. Bislang bleibt er aus der Öffentlichkeit verschwunden.
29. August 2023: Li hält als Verteidigungsminister auf einem Forum für die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika eine letzte Rede. Danach ist auch er von der Bildfläche verschwunden.
Auch aus dem Staatsrat entfernt
Vergangene Woche wurde es dann Schlag auf Schlag offiziell: In einer einzigen Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses wurde nicht nur Li aus aus seinem Amt entfernt. Er und der frühere Außenminister Qin wurden zusätzlich aus ihren noch hochrangigeren Funktionen als Staatsräte entbunden.
Und damit nicht genug: Zwei weitere Minister wurden ausgetauscht, der Finanzminister und der Minister für Wissenschaft und Technologie.
Folgen noch weitere Ministerkollegen?
"Das ist schon ein einmaliger Vorgang", sagt Björn Alpermann. Der Professor von der Universität Würzburg forscht seit Jahren insbesondere zum politischen System Chinas und beobachtet die Vorgänge in der Führungselite der Kommunistischen Partei genau: "Wir können auch noch nicht absehen, ob das jetzt wirklich das Ende der Fahnenstange ist oder ob nicht noch weitere Ministerkollegen folgen werden."
Besonders die Affäre um die verschwundenen Außen- und Verteidigungsminister gibt Rätsel auf, auch für die Außenwirkung von Staats- und Parteichef Xi. "Das waren ja nicht irgendwelche Personen, sondern das waren sehr zentrale Unterstützer Xi Jinpings in Kernressorts, die eigentlich gerade erst im Januar beziehungsweise im März in ihre Ämter eingeführt worden waren", so Alpermann.
Zeichen der Stärke oder der Schwäche Xis?
Die Situation könne in zweierlei unterschiedliche Richtungen interpretiert werden: "Einmal als Zeichen der Stärke, dass er sich eben von nichts und niemandem aufhalten lässt auf seinem Weg, auch nicht von Vertrauten, auf die er angewiesen zu sein scheint. Man kann es andererseits auch als Zeichen der Schwäche lesen, dass er mit seiner Personalstrategie krachend gescheitert ist."
Neil Thomas vom Politikinstitut Asia Society in Washington sieht das ähnlich, würde letzterem jedoch nicht so viel Gewicht geben. Er bezeichnet es als eine unangenehme politische Situation für Xi - es sei aber nichts, was seine grundsätzliche Machtposition gefährden könnte.
"Er hat gehandelt und anderen in der Führung gezeigt, dass er großen Wert auf Loyalität legt, und er wird Leute bestrafen, selbst wenn sie von ihm ausgewählt wurden", sagt Thomas. "Das suggeriert auch anderen Leuten, dass es sehr wichtig ist, in seiner Gunst zu stehen, sonst bekommen sie Ärger." Das könne ihm helfen, andere Leute auf Linie zu bringen.
Viele Spekulationen über Verbleib von Li und Qin
Dass Personen des öffentlichen Lebens in China verschwinden, kommt immer wieder vor. Anschließend wird ihnen häufig offiziell Korruption vorgeworfen. Über den Verbleib Qins und Lis gibt es viele Spekulationen.
Bei Qin verhärtet sich unter anderem durch US-Medienberichte die Annahme, dass er früher als Botschafter in den USA eine außereheliche Affäre hatte, aus der ein Kind hervorging. Wie das "Wall Street Journal" berichtete, soll es eine parteiinterne Untersuchung geben, inwiefern dies die nationale Sicherheit gefährdet haben könnte.
Ging es um Korruption?
Bei Li soll es um Korruption gehen. Neil Thomas vom Politikinstitut Asia Society in Washington sagt dazu: "Li Shangfu, so die Vermutung, ist in einen bedeutenden Korruptionsskandal im Zusammenhang mit der Beschaffung von Atomraketen der sogenannten Volksbefreiungsarmee verwickelt. Das würde Xi natürlich sehr verärgern, denn er hat wirklich versucht, die Korruption im Militär zu reduzieren und sich darauf konzentriert, Chinas nukleare Abschreckung zu verbessern."
Was genau in den Führungseliten der Kommunistischen Partei vor sich geht, ist für Außenstehende schwierig zu überblicken. Unter der Machtzunahme von Staats- und Parteichef Xi in den vergangenen Jahren ist China immer mehr zu einer Blackbox geworden. Xi hat seine Kontrolle ausgebaut, ist der mächtigste Staats- und Parteichef, den China seit dem Gründer der Volksrepublik Mao Tsetung hatte.
Was mit Qin und Li passieren wird, diese Frage bleibt offen. "Vermutlich wird man jetzt erst mal einige Monate lang nichts mehr von ihnen hören, bis dann irgendwann verkündet wird, dass sie aus der Partei ausgeschlossen wurden und den Justizbehörden zu einer Strafverfolgung übergeben werden", meint China-Experte Alpermann.