Chinas Uiguren-Strategie Kitsch und harte Propaganda
Die Kritik an Chinas Umgang mit den Uiguren im Nordwesten des Landes ist weltweit groß. Unabhängige Untersuchungen lässt Peking nicht zu - und kontert stattdessen mit einer groß angelegten Propaganda-Offensive.
Der Film zeigt ein ländliches Idyll. Blühende Wiesen, bunte Gesteinsformationen, Uiguren, Kasachen und Han-Chinesen, die zusammen tanzen und singen. "The Wings of Songs", gefördert von der Kommunistischen Partei in Xinjiang und inspiriert vom US-Musical "La La Land", lief erst in den chinesischen Kinos und ist jetzt auf YouTube zu sehen.
Neben den weichgespülten Kitschbildern gibt es deutlich aggressivere Töne in Chinas Propaganda-Arsenal etwa von Pekings Diplomaten. In Briefen an westliche Politiker - zuletzt an den Menschenrechtsausschuss des Bundestages - weisen sie Kritik an der Minderheiten-Politik Chinas barsch als Lüge zurück. Gerne beruft sich Peking auch auf ausländische Kommentatoren, die die Unterdrückung der Uiguren infrage stellen.
In China hat man dafür sogar einen eigenen Begriff: "Lippen ausleihen, um zu sprechen". Das heißt, man nimmt sich wirklich einen möglichst ausländisch aussehenden "Experten" und der wird dann eingesetzt, um sich kritisch mit der westlichen Berichterstattung zu China und Xinjiang auseinanderzusetzen, diese zu dekonstruieren und damit die Kritik an Chinas Xinjiang-Politik zu delegitimieren.
Björn Alpermann von der Universität Würzburg hat die Medienstrategie Chinas zu Xinjiang untersucht. Er sagt, China schieße mittlerweile aus allen propagandistischen Rohren. Bei YouTube etwa habe die Zahl der Videos, die Chinas Botschaften verbreiten, deutlich zugenommen.
YouTuber wie der im südchinesischen Shenzhen lebende Brite Lee Barrett und sein Sohn Oli etwa haben über 250.000 Abonnenten; beliebt auch der Kanadier Daniel Dumbrill, der in Shenzhen eine Bierkneipe betreibt oder der Israeli Raz Galor, der eine Baumwollfarm in Xinjiang besucht und verkündet, Zwangsarbeit gebe es gar nicht, alles sei ganz normal. Ob die YouTuber von Peking bezahlt werden, ist unklar. Dass sie auf Pekings Einladung in Xinjiang unterwegs sind und nur ausgewählte Orte zu sehen bekommen, ist unbestritten.
Modernes Storytelling
Gegen solide belegte Berichte und Studien über die massive religiöse und kulturelle Unterdrückung der ethnischen Minderheiten in Xinjiang setzt Pekings Propaganda auch auf modernes Storytelling. In der Pseudodokumentation "Beyond the Mountains" heißt es, China habe die rückständige Region in die Moderne geführt. Die Menschen könnten jetzt ihre Träume verwirklichen. Da werden uigurische Mädchen gezeigt, die Fußball spielen dürfen, junge Frauen, die ohne Schleier oder Kopftuch Kosmetiksalons eröffnen.
Der Islam ist wie ausradiert, kommt einfach nicht mehr vor. Was aus europäischer Sicht plump wirkt, dürfe man nicht unterschätzen, sagt Alpermann: "Dasselbe Narrativ, das bei uns vielleicht nicht so verfängt, weil wir China durch eine andere Brille sehen, kann durchaus in anderen Weltregionen erfolgreich sein". Chinas Medienbotschaften werden gezielt und sehr strategisch eingesetzt, sagen Experten, etwa in Ländern Afrikas und Lateinamerikas.
Keine unabhängigen Untersuchungen
Aber die Botschaften verfingen auch im Westen - etwa bei Menschen, die ein tiefes Misstrauen gegen die USA hegten oder anfällig seien für Verschwörungstheorien. Und während die chinesische Propagandamaschine auf Hochtouren läuft, lehnt Peking unabhängige Untersuchungen der Berichte über Zwangsarbeit, Zwangssterilisierungen und Masseninhaftierungen weiterhin einfach ab.