Konflikt im Südchinesischen Meer "Es ist gefährlich geworden da draußen"
China will seine Besitzansprüche im Südchinesischen Meer durchsetzen. Dort verläuft eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Philippinische Fischer wehren sich gegen die Expansion der Chinesen.
Sie schippen Eis in den Tropen. Ein halbes Dutzend Männer schaufelt im Hafen von Masinloc die Lieferung eines Kühllasters in große Bottiche. Ein Haufen Eiskristalle, dann ganze Eisklötze. Es ist die Kühlung für den Fisch, den sie in den nächsten Tagen fangen wollen. Sie hieven die Ladung an Bord und verstauen sie unter Deck.
Hier, rund 150 Kilometer nordwestlich der philippinischen Hauptstadt Manila, liegt das Fischerboot "La Salvia", zu deutsch "Salbei". Floro und Miguel, beide Ende 50, gehören zu den Veteranen hier. Ihre Gedanken sind schon bei dem, was in den kommenden Tagen auf sie zukommt: neuer Streit mit den Chinesen.
Streit schon seit zwölf Jahren
"Sie sind strenger geworden", erzählt Miguel. "Wahrscheinlich haben sie gemerkt, dass wir bereit sind zu kämpfen für das, was uns gehört."
Floro fügt mit ernstem Blick hinzu: "Einige von uns sind unruhig, vor allem die Neuen in der Crew. Sie sagen immer: Hoffentlich blockieren uns die Chinesen diesmal nicht, damit wir in Ruhe unseren Job machen können."
Schon vor zwölf Jahren ging der Streit los. Die Volksrepublik China besetzte das Scarborough Shoal, ein unbewohntes Riff, etwa 230 Kilometer vor der philippinischen Küste, so wie zahlreiche weitere Felsen und Sandbänke im südchinesischen Meer.
Viele spült China zu Inseln auf und zählt sie dann zum eigenen Staatsgebiet. Auf manchen baut Peking Militärstützpunkte.
Sie sind erfolgreich von ihrer Fangexpedition im Südchinesischen Meer zurückkehrt. Doch häufig werden philippinische Fischer von der chinesischen Marine vertrieben.
Den Haag stärkte Fischern den Rücken
Doch in und um das Scarborough Shoal haben die Philippiner traditionelle Fischereirechte. Das hat der Ständige Schiedshof in Den Haag bestätigt.
In einem Schiedsspruch von 2016 stärkte er den Philippinern den Rücken. Für Pekings weitreichenden Anspruch auf die Ressourcen im Südchinesischen Meers gibt es keine international anerkannte Rechtsgrundlage.
Aber es ist nicht nur das Recht, dass die Fischer von der westphilippinischen Küste immer wieder hinaus zum Riff führt. Es bleibe ihnen keine andere Wahl, erklärt Floro. Im Küstenmeer gebe es für sie nicht mehr viel zu holen: "Ohne das Scarborough Shoal müssten wir hungern."
In der Bucht von Masinloc auf den Philippinen leben viele Menschen von den reichen Fischgründen. Aber Gebietsstreitigkeiten schränken ihre Bewegungsfreiheit auf See ein.
"Wir sind alle nervös, wenn sie hinausfahren.“
Floro und seine Frau Amalia haben sechs Kinder großgezogen. Dass alle gesund aufgewachsen sind und heute fernab der Heimat Ausbildung oder Beruf nachgehen, dazu hat der Fischfang am Scarborough Shoal einen wichtigen Beitrag geleistet.
Auch die Fahrt dorthin ist keine Selbstverständlichkeit mehr, merkt auch Amalia. "Es ist gefährlich geworden dort draußen. Wir sind alle nervös, wenn sie hinausfahren."
Das Fischerboot legt ab. Nach 16 Stunden auf See kommt das Ziel in greifbare Nähe. Floro zeigt auf die Untiefe, die sich vor ihnen abzeichnet: "Das ist Scarborough Shoal. Bei Ebbe tauchen die Felsen aus dem Wasser auf. Sie umgeben das ganze Areal. Und wenn Du in die Lagune hineinfährst, dann stößt Du auf eine weite Sandfläche."
Zivile Helfer der chinesischen Küstenwache gesichtet
Auch die Chinesen kommen ins Blickfeld. Mitten im Riff patroulliert die chinesische Küstenwache mit gleich zwei Schiffen. Ihre Wasserkanonen werden gefürchtet. Auch Kollisionen hat es hier schon gegeben.
Diesmal kommt die Küstenwache nicht allein. Ein chinesisches Fischerboot setzt sich hinter die Philippiner. Überall im Südchinesischen Meer werden solche zivilen Helfer der chinesischen Küstenwache beobachtet. Manche sollen sogar bewaffnet sein. Eine Art Miliz, mit deren Hilfe China das Meer überwacht.
Die Chinesen kontrollieren den Schatz
Auch heute bleibt das zivile Schiff immer in Sichtweite. Die Philippiner stehen unter Beobachtung. "Vorher konnten wir einfach hineinfahren", erzählt Floro, "Jetzt nicht mehr. Sie benehmen sich, als wären sie hier die Könige." Wenn es jemand wagt, ins Innere des Riffs zu steuern, dann setzen die Chinesen Gummiboote aus und verjagen die Fischer.
Früher konnten die Philippiner zwischen den Felsen geschützt ankern und tagelang bleiben. Heute sind sie ausgesperrt. Sie fischen trotzdem, aber nur außerhalb des Riffs. Wind und Wellen ausgesetzt, können sie das nicht lange durchhalten. Diesmal geht es nach einer Nacht schon wieder zurück zur Küste.
Das Scarborough Shoal sei eine Goldgrube, schwärmt Floro nach der Rückkehr. Den Schatz vor seiner Haustür kontrollieren jetzt die Chinesen.
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