Ein Mann geht im Ballsaal eines Hotels bei einer Wahlparty in Smyrna für US-Senatskandidat Walker spazieren.
Analyse

US-Zwischenwahlen Kein Chaos, kein Durchmarsch

Stand: 09.11.2022 16:04 Uhr

Der befürchtete Denkzettel für US-Präsident Biden und ein Durchmarsch der Republikaner bei den Zwischenwahlen ist ausgeblieben. Ex-Präsident Trump ist angeschlagen.

US-Präsident Joe Biden hatte ganz offensichtlich eine unterhaltsame Nacht, auf jeden Fall unterhaltsamer, als er sich das vorgestellt haben dürfte. Biden verbrachte viel Zeit am Telefon, um Wahlsiegern zu gratulieren. Der Bundesstaat Maryland zum Beispiel hat nun wieder einen demokratischen Gouverneur: Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird er von einem Afroamerikaner regiert.

Die demokratische Partei in Massachusetts freut sich darüber, dass sie die erste weibliche und die erste lesbische Gouverneurin stellen kann. Und natürlich ist da der ganz große Preis von Pennsylvania: John Fetterman, der kernige Herausforderer, hat den Republikanern einen Senatssitz abgetrotzt - und das, obwohl er sichtlich noch mit den Folgen eines Schlaganfalls zu kämpfen hat.

Womöglich wird das Abgeordnetenhaus an die Republikaner gehen, vielleicht bleibt der Senat in den Händen der Demokraten, aber der befürchtete Durchmarsch der Republikaner ist steckengeblieben. Biden wird vermutlich durch die nächsten Jahre seiner Präsidentschaft humpeln, aber er musste seinen heutigen Arbeitstag nicht mit eingezogenem Kopf beginnen.

Trump - der Angeschlagene

Der frühere, abgewählte Präsident Donald Trump zeigte sich noch in der Nacht seinen Anhängern. Warum, erschloss sich nicht sofort. Offenbar wollte er sich dafür feiern lassen, dass viele seiner Kandidaten durch die Wahl gekommen sind. Wie viele es am Ende sein werden, ist jetzt noch nicht klar. Aber so richtig Grund zur Freude kann er nicht gehabt haben.

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Stefan Niemann, NDR, tagesthemen, tagesthemen, 09.11.2022 22:30 Uhr

Pennsylvania zum Beispiel könnte einen Hinweis darauf geben, dass extreme, von Trump unterstützte Kandidaten keine Selbstläufer sind. Der eine war offenbar zu extrem, der andere schaffte es nicht, seinen Bezug zum Bundesstaat deutlich zu machen. Die örtlichen Republikaner hätten sich - ohne Trump - womöglich andere, moderate Kandidaten gesucht und wären mit ihnen vermutlich auch besser gefahren.

Und was Trump am allerwenigsten gefallen kann: Direkt in seiner Nachbarschaft wird ein möglicher Rivale um die Präsidentschaft stärker und stärker. Ron DeSantis ist als Gouverneur bestätigt worden, ein "historischer Sieg", meint er selbst - und Florida hat sich inzwischen zu einer soliden republikanischen Hochburg entwickelt. Eine Ausgangslage, um mit breiter Brust einen Angriff auf das Weiße Haus zu unternehmen. An Trump vorbei.

Chaos ist ausgeblieben

Für einen Moment sah es gestern so aus, als würde es doch noch heftig. Arizona meldete den Ausfall von technischem Gerät. "Geht das schon wieder los?", fragte Trump auf seinen sozialen Netzwerken. Und die republikanische Kandidatin für das Gouverneursamt, Kerri Lake, machte sich schon bereit, den vermeintlichen Angriff der Wahlfälscher zurückzuschlagen.

Am Ende stellte es sich viel harmloser dar. Es waren ein paar Drucker ausgefallen und die Stimmen keinesfalls verloren. So stellen es zumindest die örtlichen Behörden dar. Ansonsten aber konnten die Amerikanerinnen und Amerikaner ihre Stimmen abgeben wie gewohnt. Ob es allerdings im Dienste der Demokratie sein kann, Wähler bei der Stimmabgabe zu fotografieren oder Wachposten an Briefkästen aufzustellen, wie in Arizona beobachtet, ist eine andere Geschichte.

Sieg für die Demokratie

Die Ergebnisse in Pennsylvania fielen schnell sehr eindeutig aus. Sowohl der künftige Gouverneur als auch der künftige Senator kamen bald auf so viele Stimmen, dass niemand ernsthaft auf die Idee kommen kann, hier sei manipuliert worden.

Zur Erinnerung: 2020 wurde in Pennsylvania vier Tage lang ausgezählt bis ein belastbares und vor allem klares Ergebnis feststand. Doch der abgewählte Präsident Trump behauptet bis heute, dort seien aus dem Nichts über Nacht Stimmen hervorgezaubert worden

Gudrun Engel, ARD Washington, über die Bedeutung der Zwischenwahlen für die künftige US-Politik

tagesthemen, tagesthemen, 09.11.2022 22:30 Uhr

Allerdings haben in den Bundesstaaten viele seiner Kandidaten gewonnen, die die Legitimität der 2020er Wahl anzweifeln und versprechen, dafür zu sorgen, dass sich das 2024 nicht wiederholt. Soll heißen: die ihre Macht und Organisationsgewalt so nutzen werden, dass in zwei Jahren in ihrem Einflussbereich auf jeden Fall die Republikaner gewinnen.