Zwischenwahlen in den USA Diese Rennen sind besonders eng
Strafen die US-Wähler Joe Biden bei den Zwischenwahlen ab und machen ihn zu einem Präsidenten ohne parlamentarische Mehrheit? Möglich - denn in mehreren Bundesstaaten zeichnet sich ein enges Rennen ab. Ein Überblick über die besonders umkämpften Sitze und Ämter.
Der Senat
35 Sitze im Senat stehen zur Wahl - und die Mehrheitsverhältnisse sind knapp. Zusammen mit zwei unabhängigen Abgeordneten kommen die Demokraten auf 50 von 100 Sitzen - bei Stimmengleichheit entscheidet das Votum von Vizepräsidentin Kamala Harris. Die Republikaner brauchen also nur einen zusätzlichen Sitz, um den Senat unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Arizona: Das Rennen um den Senatssitz in Arizona zählte zu den spannendsten und umstrittensten bei der Wahl 2020. Mit Mark Kelly gewann ihn erstmals seit fast 60 Jahren ein Demokrat - ein symbolträchtiger Erfolg, der für den Umschwung zu den Demokraten insgesamt stand. Auch deshalb wollen die Republikaner Arizona zurückgewinnen - und die Demokraten den Sitz halten. Kelly, ein ehemaliger Astronaut, muss den Sitz schon in diesem Jahr verteidigen, da er 2018 vorzeitig durch den Tod des republikanischen Senators John McCain freigeworden war - Senatoren werden generell für jeweils sechs Jahre gewählt. Kelly tritt gegen Blake Masters von den Republikanern an, ein Tech-Investor mit ausgesprochen konservativen Ansichten. Dafür steht auch seine Unterstützung durch den Internet-Milliardär und Investor Peter Thiel.
Georgia: Ebenso überraschend war 2020 der Gewinn der beiden Senatssitze in Georgia durch die Demokraten, der den Demokraten die knappe Kontrolle über die Kammer sicherte. Raphael Warnock, einer der beiden Gewinner von 2020, übernahm allerdings nur die restliche Amtszeit eines früheren Senators - deshalb muss er seinen Sitz jetzt schon verteidigen. Gegen den 53 Jahre alten Pastor Warnock schickten die Republikaner Herschel Walker ins Rennen, einen ebenfalls schwarzen 60 Jahren alten ehemaligen Football-Star. Walker sorgte im Wahlkampf für Schlagzeilen, da er sich als Abtreibungsgegner positionierte, dann aber Vorwürfe gegen ihn laut wurden, er habe zwei Frauen zu Schwangerschaftsunterbrechungen gedrängt. Auch sein Sohn stellte sich gegen ihn. Dennoch deuten Meinungsumfragen ein enges Rennen an. Sollte kein Kandidat im ersten Wahlgang mindestens 50 Prozent erreichen, wäre eine Stichwahl fällig.
Nevada: Die aktuelle Senatorin Catherine Cortez Masto und ihr Gegenkandidat Adam Laxalt kennen sich aus früheren Ämtern. Masto war bis 2015 Attorney General des Staates, eine Mischung aus Justizministerin und Generalstaatsanwältin, Laxalt ist ihr Nachfolger. Er stammt aus einer alten republikanischen Familie, schon seine Vorfahren waren Senatoren. Laxalt hat sich im Trump-Lager angesiedelt und wirft den Demokraten Betrug bei der Wahl 2020 vor. Die wiederum bauen unter anderem darauf, dass Masto als erste Vertreterin des Latinos auf dem Senatorensitz Nevadas diese Wählergruppe besonders mobilisieren kann. Doch das scheint angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme ungewiss.
New Hampshire: Hauchdünn war der Vorsprung von Maggie Hassan, als sie 2016 den Senatssitz von New Hampshire gewann - er betrug damals gerade mal 0,14 Prozent. In diesem Jahr liegt sie in Umfragen um 2,4 Prozent vor ihrem Gegenkandidaten Don Bolduc. Das ist mehr als vor sechs Jahren, aber angesichts der Fehlerquote von Umfragen immer noch knapp. Boulder ist ein Kandidat nach dem Geschmack von Trump - der ehemalige Armeesoldat erging sich in dubiosen Theorien über Impfstoffe und über den Ausgang der jüngsten Präsidentenwahl. Im Wahlkampf setzte er auf das Thema Inflation.
Pennsylvania: In Pennsylvania haben die Republikaner mit Mehmet Oz einen Kandidaten ins Rennen geschickt, der mit dem Begriff "schillernd" noch zurückhaltend beschrieben ist. Der Mediziner erlangte als TV-Arzt überregionale Bekanntheit, musste sich aber auch vorwerfen lassen, die Zuschauer vor allem pseudowissenschaftlich zu unterhalten. Andere Mediziner stellten seine Qualifikation als Medizinprofessor in Frage. In der Coronakrise empfahl er das wirkungslose Malariamittel Hydroxychloroquin.
Oz, der von Trump unterstützt wird, tritt gegen John Fetterman von den Demokraten an. Er bringt die Erfahrung als Bürgermeister und Vizegouverneur von Pennsylvania ein und wird als Sozialpolitiker vom linken Flügel der Demokraten unterstützt. Der 2,03-Meter-Mann zeigt sich in der Öffentlichkeit unkonventionell, ist tätowiert und trägt gerne Hoodie. Im Mai erlitt er allerdings einen Schlaganfall, dessen Folgen seinen Wahlkampf erheblich beeinträchtigten. In der einzigen TV-Debatte mit Oz sprach er langsam und verhaspelte sich mitunter. 2020 hatten die Demokraten den Sitz mit einer knappen Mehrheit erobert - auch in diesem Jahr zeichnet sich ein enges Rennen ab.
Ohio: Der republikanische Kandidat J.D. Vance (38) ist auch in Deutschland als Autor des Buches "Hillbilly Elegie" bekannt, in dem er 2016 anhand seiner Familie die Nöte von Arbeiterfamilien in den USA beschrieb. Vance selbst war als Tech-Investor zu Reichtum gekommen und lehnte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches noch Trump und dessen politische Ideen ab. In den Jahren danach aber näherte er sich dem Trump-Lager und dem extrem rechten Flügel der Republikaner an und wird nun diesem bei seiner Kandidatur für den Senatssitz von Ohio unterstützt. Tim Ryan (49), sein Gegenkandidat der Demokraten, vertritt den Bundesstaat seit 19 Jahren im Repräsentantenhaus und bemühte sich 2020 vergeblich um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei.
Wisconsin: Republikaner Ron Johnson hatte die Wahl 2016 mit einem Vorsprung von 3,4 Prozent gewonnen. In diesem Jahr zeichnet sich wieder ein ähnlich knapper Ausgang ab. Johnsons Vorsprung vor seinem Gegenkandidaten Mandela Barnes beträgt nach jüngsten Umfragen rund drei Prozent. Gewinnt Barnes, wäre er der erste schwarze Senator des Bundesstaats. In seinem Wahlkampf setzte er unter anderem auf das Thema Abtreibungsrecht. Johnson hat sich im Amt zunehmend auf den rechtspopulistischen Flügel der Partei zubewegt. Er bezweifelt den Klimawandel, befürwortete obskure Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus wie die Mundwäsche und trat bis zur heißen Phase des Wahlkampfs für ein restriktives Abtreibungsrecht ein. Diese Position verwässerte er aber, als die Demokraten das Thema in den Vordergrund schoben.
Das Repräsentantenhaus
Im Repräsentantenhaus werden alle 435 Sitze neu vergeben. Seit 2020 ist die Mehrheit der Demokraten deutlicher, aber mit 221 gegenüber 212 bei zwei vakanten Sitzen nicht unumkehrbar.
Michigan: Elissa Slotkin sitzt seit zwei Jahren für die Demokraten als Vertreterin des Bundesstaates im Mittleren Westen im Abgeordnetenhaus. Nach ihrem Sieg wurden die Wahlbezirke neu zugeschnitten, und nun steckt Slotkin in einem engen Rennen mit dem Republikaner Tom Barrett. Eine besondere Note erhält der Wahlkampf in Michigan durch die bisherige republikanische Abgeordnete Liz Cheney. Cheney, als Tochter von Ex-Vizepräsident Dick Cheney eine Vertreterin des alten republikanischen Establishments, hatte sich nach dem Sturm auf das Kapitol gegen Trump gestellt und war eine der wichtigsten Stimmen im Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses. Cheney wurde von ihrer Partei nicht wieder aufgestellt und unterstützt in Michigan nun Slotkin. So ist abzusehen: Die siegreiche Partei wird den Wahlausgang als Menetekel werten - für oder gegen Trump.
Ohio: Apropos Wahlkreisgrenzen - damit hat auch Marcy Kaptur zu kämpfen, deren Bezirk nach Neuzuschnitt deutlich mehr republikanische Wähler umfasst. Ein Bekanntheitsproblem hat Kaptur dagegen nicht: Seit 1983 sitzt die 76-Jährige im Abgeordnetenhaus. Ihr Gegenkandidat ist mit 43 Jahren deutlich jünger und ein glühender Trump-Anhänger. J.R. Majewski unterstützt die Behauptung vom gestohlenen Wahlsieg 2020, zog am 6. Januar 2021 selbst vor das Kapitol in der Hauptstadt Washington und ist darauf weiter stolz. Übrigens eine Ortsangabe, die unstrittig ist - anders als Majewskis Angaben zu seinem Militärdienst. Den wollte er in Teilen in Afghanistan absolviert haben. Tatsächlich war er 2002 für die US-Luftwaffe in Katar stationiert.
New York: Der Wahlbezirk im Süden des Bundesstaats, für den Patrick Malony antritt, wäre in normalen Zeiten eine sichere Sache für die Demokraten - seit 1998 siegten sie hier stets. Aber es sind keine normalen Zeiten, und so kann sich der Lokalpolitiker Mike Lawler Hoffnungen machen, Malony zu schlagen. Das wäre für die Republikaner ein ganz besonderer Triumph. Denn er vollzöge sich nicht nur in einem demokratischen Herzland, sondern träfe auch den Organisator der Wahlkampagne der Demokraten für das Repräsentantenhaus. Deshalb haben die Republikaner besonders viel Geld in ihre Kampagne in diesem Bezirk gepumpt.
New Hampshire: Der kleine Bundesstaat im Norden hat in den vergangenen Jahrzehnten mal mehrheitlich demokratisch, mal mehrheitlich republikanisch gewählt. 2017 und 2019 setzten sich die Kandidaten der Demokraten durch. In diesem Jahr liegen der derzeitige Abgeordnete Chris Pappas und die Republikanerin Karoline Leavitt in den Umfragen nahezu gleichauf. Leavitt ist mit 25 Jahren eine der jüngsten Kandidatinnen überhaupt und hat unter Trump zeitweilig in der Presseabteilung des Weißen Hauses gearbeitet. Ihre Slogans atmen den Geist dieser Jahre - vor allem, wenn es um die angeblich gestohlene Präsidentenwahl und die angeblichen Lügen der Medien geht. Gewinnt sie, dürfte sie im Repräsentantenhaus das radikale Lager der Republikaner um Marjorie Taylor Greene verstärken.
Die Bundesstaaten
Zahlreiche US-Bundesstaaten wählen auch ihre Gouverneure neu. Das könnte Auswirkungen auf die US-Präsidentenwahl haben - bei den Kandidaten und bei den Überprüfungen der Wahlergebnisse.
Arizona: Auf die republikanische Kandidatin Kari Lake schaut mittlerweile das ganze Land. Bekannt war sie als TV-Moderatorin in Arizona ohnehin. Doch spätestens im Wahlkampf hat sich Lake mit scharfen rechtspopulistischen Positionen und Thesen einen überregionalen Ruf erarbeitet. Die Lügen der "Fake-News-Medien", eine "Invasion" der Migranten, das Abtreibungsrecht weitgehend abschaffen - in ihrem Repertoire findet sich vieles, was das Trump-Lager erfreut. Die Unterstützung des Ex-Präsidenten sicherte sie sich postenwendend, nachdem sie vorgeschlagen hatte, dessen Profil in das Präsidentendenkmal Mount Rushmore zu meißeln. Inzwischen mutmaßen Beobachter, Trump könne sie zu seiner Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin machen, falls er 2024 selbst antritt. Dazu muss Lake aber in Arizona gewinnen und die demokratische Kandidatin Katie Hobbs bezwingen. Die war 2020 für die Überprüfung des Wahlergebnisses in dem Bundesstaat zuständig. Auch das macht die Wahl in Arizona so symbolträchtig.
Florida: Am Sieg des republikanischen Amtsinhabers Ron DeSantis über den Demokraten Charlie Christ bestand wenig Zweifel, auch wenn Christ als Ex-Gouverneur und früherer Republikaner einige Wähler der Partei ansprechen dürfte. Aber DeSantis gilt inzwischen als jemand, dessen Ambitionen weit über Florida hinaus bis ins Weiße Haus reichen. Politisch trennt ihn von Trump wenig - aber beide sind Konkurrenten. Denn würde Trump 2024 nicht antreten, wäre DeSantis einer der aussichtsreichsten Bewerber bei den Republikanern. Und ob er Trump den Vortritt lässt, wenn dieser erneut antritt, ist ebenfalls noch nicht ausgemacht. Denn DeSantis kann für sich ins Feld führen, anders als Trump nicht in zahlreiche Rechtsfälle verwickelt zu sein. Das weiß auch Trump, der bereits begonnen hat, sich auf DeSantis einzuschießen.
Kansas: Der Bundesstaat im Mittleren Westen zählt nicht zu den Hochburgen der Demokraten, jedoch gewann Laura Kelly 2018 das Rennen um den Gouverneursposten mit deutlichem Vorsprung vor einem republikanischen Hardliner. In diesem Jahr sagen ihr die Umfragen einen deutlich geringeren Vorsprung voraus - mit rund 2,5 Prozent vor dem Republikaner Derek Schmidt. Kellys Kampagne erhielt im Sommer einen Schub, als die Wähler in dem Bundesstaat in einem Referendum ein schärferes Abtreibungsrecht ablehnten. Schmidt hatte eine solche Entscheidung befürwortet, Kelly hat sie abgelehnt. Zuletzt setzte Schmidt wie viele andere auf das Thema Kaufkraft. Kelly wiederum rückte die Themen Bildung, Staatsfinanzen und Wirtschaftsförderung in den Mittelpunkt.
Nevada: In Nevada könnte der demokratische Gouverneur Steve Sisolak nach einer Amtszeit seinen Posten wieder verlieren. Viele Wähler tragen ihm offensichtlich seinen strengen Kurs mit Schließungen von Schulen, Unternehmen und Casinos während der Pandemie nach. Sein Gegenkandidat Joe Lombardo versuchte, mit den Themen Sicherheit und Migration zu punkten - als ehemaliger Sheriff von Las Vegas für ihn ein naheliegender Ansatz.
Oregon: In Oregon liefern sich die Demokratin Tina Kotek und die Republikanerin Christine Drazan ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Gouverneursposten. Kotek ist die erste lesbische Politikerin, die in einem Bundesstaat die Position des Sprechers des Abgeordnetenhauses innehat, und das seit vielen Jahren. Oregon zählt zu den liberaleren Bundesstaaten, unter anderem beim Abtreibungsrecht. Das Thema spielte auch im Wahlkampf eine große Rolle. Auch die republikanische Kandidatin Christine Drazan bekannte sich zu den bestehenden Regeln im Bundesstaat. Den Ausschlag könnte am Ende die unabhängige demokratische Bewerberin Betsy Johnson geben - zum Nachteil von Kotek.
Wisconsin: In Wisconsin kämpft der Demokrat Tony Evers um eine zweite Amtszeit. Umfragen geben ihm einen hauchdünnen Vorsprung vor dem Republikaner Tom Michels, einem entschiedenen Trump-Anhänger. Evers hat das Thema Wahlrecht in seiner Kampagne hervorgehoben - auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2024. Michels befürwortet diverse von Republikanern vorgeschlagene Maßnahmen, die eine Stimmabgabe erschweren würden. Wisconsin gilt als einer der Bundesstaaten, in denen sich die nächste Präsidentenwahl entscheiden könnte.