60 Jahre "I have a dream" "An dem Tag war die Hautfarbe völlig egal"
Vor 60 Jahren hielt Martin Luther King seine berühmte Rede. "I have a dream" steht seitdem für den friedlichen Kampf gegen die Rassendiskriminierung in den USA. Zeitzeugen erinnern sich an den 28. August 1963 in Washington.
Rosetta Canada-Hargrove war damals 20. Mit ihrer Schwester kam sie mit dem Bus von New York nach Washington. Heute sagt sie: "Wir haben noch nicht mal Fotos gemacht, wir hatten ja keine Ahnung, dass das in die Geschichtsbücher eingeht, aber das ist es."
Canada-Hargrove ist Afroamerikanerin, aber sie sagt, an diesem Tag in Washington sei die Hautfarbe völlig egal gewesen. "Wir haben noch nicht mal gesehen, ob jemand schwarz oder weiß ist", so die 80-Jährige. Es sei nur darum gegangen, gemeinsam für mehr Gerechtigkeit, für bessere Jobs, gegen Rassismus zu kämpfen. Ihre Mutter wollte nicht, dass sie und ihre Schwester fahren, aus Angst vor möglichen Ausschreitungen. Aber alles blieb friedlich.
Auch für den damaligen Harvard-Studenten und späteren Politikprofessor Chris Mitchell war es keine Frage, nach Washington zu fahren. "Wir wussten, es ist wirklich wichtig, dass viele dabei sind", so Mitchell. Und es waren mehr als 250.000 Menschen beim "March on Washington" vor 60 Jahren.
Michael Reich war für ein Physikpraktikum in Washington. Er lief von seinem Apartment in Richtung Lincoln Memorial. Der heute 77-Jährige erinnert sich noch genau, überall seien Menschen gewesen, man habe sich kaum bewegen können.
"I have a dream", rief Martin Luther King am 28.8.1963 mehr als 250.000 Menschen in Washington zu.
"Es war extrem bewegend"
Martin Smolin ist heute 89. Er kam gemeinsam mit seiner Frau aus New York zum Marsch auf Washington. Nach all den Jahren und in seinem Alter wisse er alles nicht mehr so ganz genau, sagt er, aber eine Szene habe sich für immer in sein Gedächtnis eingebrannt: Eine ältere schwarze Dame habe die Hände Richtung Himmel gestreckt, als sie all die Busse gesehen habe - so als wäre gerade ein Wunder geschehen. "Und es war ein Wunder, es war extrem bewegend", so Smolin.
Viele Reden wurden an diesem 28. August 1963 gehalten, King war am Ende der Veranstaltung dran. Während seiner Rede wich er von seinem Manuskript ab und begann von seiner Vision einer besseren Welt zu sprechen, "I have a dream". Man habe keine Babys mehr gehört, kein Husten, nichts ...es sei totenstill geworden, erinnert sich Canada-Hargrove.
Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit
"Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden", war eine von Kings Visionen.
Als die Rede zu Ende war, hätten Menschen geweint, sich in den Arm genommen und geklatscht und geklatscht, beschreibt Canada-Hargrove den Moment vor 60 Jahren. Ein Glücksgefühl habe sie damals erfasst, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Der ehemalige Physikstudent Reich sagt, der 28. August 1963 habe sein Leben verändert.
Fortschritte sind gemacht worden
Die Erfahrung des Marsches habe ihm gezeigt, wie wichtig es sei, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Und was er gelernt habe sei, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit seien nicht trennbar. Anstatt weiter Physik zu studieren, habe er zum Fach Wirtschaft gewechselt. Seine Dissertation schrieb Reich später über ökonomischen Rassismus.
Michael, Rosetta, Martin, Chris - sie alle betonen, die Zeit heute sei natürlich nicht mit der Zeit der Rassentrennung in den USA vergleichbar. Aber sie sind sich auch einig: Fortschritte sind gemacht worden, aber noch nicht alles erreicht.