Reaktionen auf Supreme-Court-Urteil "Leitplanken der Demokratie wurden ausgehöhlt"
Das Oberste Gericht der USA hat Ex-Präsident Trump eine Teil-Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung zugesprochen. Während er selbst jubelt, reagieren Demokraten und Beamte der Kapitol-Polizei entrüstet.
Für Ex-Präsident Donald Trump war das Urteil des Obersten Gerichts ein kolossaler Triumph: Ein Sieg für die Verfassung und die Demokratie, jubelte er in seinem Netzwerk Truth Social. Schon vorher freute sich der 78-Jährige in einem Podcast darüber, dass das Urteil größere Auswirkungen auf seinen demokratischen Kontrahenten Joe Biden haben werde als auf ihn.
Der Supreme Court urteilte mit seiner konservativen Mehrheit, dass US-Präsidenten vor Strafverfolgung geschützt sind, zumindest bei offiziellen Aufgaben. Keine Immunität gebe es hingegen bei inoffiziellen Handlungen. Ob Trumps versuchte Wahlbeeinflussung nun eine offizielle oder ein inoffizielle Handlung war, soll ein niedrigeres Gericht klären. Damit wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass Trump noch vor der Wahl am 5. November vor Gericht gestellt wird.
Trumps Unterstützer feiern Urteil
Auch Trumps Unterstützer, etwa der republikanische Senator J. D. Vance, feierten den Richterspruch. Dies könne die Klage von Sonderermittler Jack Smith gegen den Präsidenten zerstören, schrieb Vance auf X. Smith ermittelt gegen Trump wegen versuchter Wahlbeeinflussung und wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021.
Adam Kinzinger, Republikaner und scharfer Trump-Gegner, kritisierte auf CNN, die - wie er meint - komplette Entlastung, was die Vorfälle des 6. Januar 2021 angehe.
Scharfe Kritik von Demokraten
Die Demokraten reagierten entrüstet auf die Einschätzung der Obersten Richter. Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, bezeichnete das Urteil auf der Plattform X als "schändliche Entscheidung", die es dem ehemaligen Präsidenten erlaube, die Demokratie zu schwächen, indem er das Gesetz breche.
Nancy Pelosi, die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, schrieb in einer Erklärung, der Supreme Court weiche mit dem Urteil vom Standard ab und verletzte den ehernen amerikanischen Grundsatz, wonach niemand über dem Gesetz stehe. Auch die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton meldete sich zu Wort. Sie schrieb auf X, das amerikanische Volk werde Donald Trump im November zur Rechenschaft ziehen.
"Trump ist größte Bedrohung für die Demokratie"
Harris Dunn war als Polizist bei der Kapitolerstürmung am 6. Januar 2021 selbst im Einsatz. Er kann kaum glauben, dass die Richter Trump eine Teil-Immunität gewähren. Donald Trump sei immer noch die größte Bedrohung für die Demokratie, sagte der Ex-Polizist vor der Presse. Das sei gestern so gewesen und sei heute - nach diesem Urteil - umso mehr der Fall.
Dunn kandidiert nun als Demokrat für den Kongress im US-Bundesstaat Maryland. Er ist davon überzeugt, dass Trump seine Anhänger damals zum Sturm auf das Kapitol angestachelt hat. Er sei selbst dort gewesen, erzählt er. Die Leute, die ihn damals angegriffen hätten, hätten in Trumps Namen und auf seine Anweisung hin gehandelt.
Ein anderer ehemaliger Beamter der Kapitol-Polizei, Aqulino Gonell, war zur Urteilsverkündung zum Kapitol nach Washington gekommen. Er sagte: "Der Oberste Gerichtshof hat gerade die Leitplanken der Demokratie weiter ausgehöhlt. Das ist absurd und gefährlich."
Urteil für Juristen keine Überraschung
Juristen sind von dem differenzierten Urteil zur Teil-Immunität von US-Präsidenten nicht überrascht. Der ehemalige US-Justizminister Alberto Gonzales sagte auf CNBC, ein Präsident müsse die schwierigsten Entscheidungen treffen. Dafür brauche er Flexibilität, Macht und Autorität. Solange er in offizieller Funktion handele, sollte er geschützt vor Strafverfolgung sein.
Nach Ansicht der Historikerin Lea Wright von der Johns Hopkins University kann man schon seit mehr als 50 Jahren beobachten, dass die Machtbefugnisse von US-Präsidenten immer stärker ausgeweitet werden. Die Tatsache, dass die Richter die Deutungshoheit dieses Falls an eine niedrigere Instanz zurückverwiesen haben, zeige allerdings auch, dass einige Mitglieder des Supreme Courts Wert auf Neutralität und Objektivität legten.
Bei Wahlsieg könnte sich Trump begnadigen
Bis das nächste Gericht geklärt hat, wie der Urteilsspruch konkret auf den Fall Trump anzuwenden ist, können Monate vergehen. Dadurch wird sich der Prozessbeginn gegen Trump mit großer Wahrscheinlichkeit bis nach der Präsidentenwahl im November verzögern.
Damit ist eine mögliche Verurteilung Trumps vor der Wahl vom Tisch. Hinterher könnte er sich - im Falle eines Wahlsiegs - selbst begnadigen.