Nach Unruhen in Peru Präsidentin will Neuwahlen vorziehen
Bei Protesten gegen die Festnahme des enthobenen Präsidenten Castillo sind in Peru zwei Jugendliche gestorben. Die erst kürzlich vereidigte Staatschefin Boluarte kündigte in einer Fernsehansprache vorgezogene Neuwahlen für 2024 an.
Nach landesweiten Protesten mit zwei Toten strebt Perus Präsidentin Dina Boluarte vorgezogene Neuwahlen an. Sie werde dem Parlament einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die Wahlen von 2026 auf April 2024 vorgezogen würden, sagte die erst kürzlich vereidigte Präsidentin in einer Fernsehansprache. Sie habe beschlossen, die Initiative zu ergreifen, um eine Einigung mit dem Kongress zu erreichen.
Boluarte betonte, ernsthafte verfassungsrechtliche Reformen in Angriff nehmen zu wollen. Damit reagierte sie auf Demonstrationen Tausender Menschen, die ihren Rücktritt und Neuwahlen für das höchste Staatsamt sowie für den Kongress forderten. Die Staatschefin kündigte an, sie werde den Ausnahmezustand in den am stärksten von den Protesten betroffenen Gebieten verhängen, um die "öffentliche Ordnung wiederherzustellen".
Verletzte und Tote
Während der Proteste am Wochenende gab es laut Informationen peruanischer Medien zwei Tote. Ein 15-Jähriger soll an Verletzungen gestorben sein, die er während eines Protests erlitt, wie die Kongressabgeordnete Maria Taipe Coronado sagte. Der Tod des Jungen liege in der Verantwortung der Präsidentin, weil sie nicht ihren Rücktritt eingereicht habe, sagte die Abgeordnete und ergänzte: "Seit wann ist Protest ein Verbrechen?"
Anthony Gutiérrez, Direktor eines lokalen Krankenhauses, sagte einem Radiosender, die zweite getötete Person sei 18 Jahre alt gewesen. Todesursache seien möglicherweise Schusswunden. Mindestens 26 Menschen wurden zudem als verletzt gemeldet.
Angriff auf Flughafen
Neben der Forderung nach Neuwahlen treibt die Menschen eine überwältigende Ablehnung des Kongresses auf die Straßen: Umfragen vom November zufolge sind 86 Prozent der Peruaner mit dem Parlament nicht einverstanden.
Unter anderem in Cajamarca, Arequipa, Andahuaylas, Tacna, Cusco und Puno hatten zahlreiche Demonstranten am Wochenende Boluartes Rücktritt gefordert. Sie verlangten Castillos Freilassung, der sich seit Donnerstag in Untersuchungshaft befindet, und drohten einen landesweiten Streik an.
In Andahuaylas - einer Kleinstadt in Boluartes Heimatregion Apurimac - kam es im Zuge der Proteste zu Zusammenstößen. Dort griffen Demonstranten Polizisten mit Steinen an, stürmten den Flughafen und nahmen Geiseln. Die Einsatzkräfte feuerten Tränengas ab. In Huancabamba, einer weiteren Stadt in dem Gebiet, wurde laut dem Radiosender RPP eine Polizeidienststelle in Brand gesetzt.
Boluarte ruft zum Dialog auf
In der Hauptstadt Lima demonstrierten zwischen 1000 und 2000 Menschen vor dem Kongress und riefen "Castillo, du bist nicht allein, das Volk steht hinter dir". Eine außerordentliche Sitzung im Kongress zur Lage im Land war am Sonntagabend nach Handgreiflichkeiten unterbrochen worden. In Onlinediensten veröffentlichte Bilder zeigten, wie ein Mann einem anderen von hinten einen Fausthieb verpasst und es zu Gedränge kommt.
Innenminister César Cervantes hatte die Bevölkerung im Radiosender RPP zur Ruhe aufgerufen. "Kein Peruaner sollte sein Leben für politische Interessen opfern müssen", schrieb auch Boluarte im Onlinedienst Twitter. "Ich rufe erneut zum Dialog und zum Verzicht auf Gewalt auf."
Freilassung Castillos gefordert
Ausgelöst wurden die Proteste durch einen turbulenten Machtwechsel an der Spitze Perus vergangene Woche. Der bisherige Präsident Pedro Castillo war am Mittwoch vom peruanischen Parlament des Amtes enthoben und später festgenommen worden. Er hatte versucht, den Kongress vor einem Misstrauensvotum gegen ihn aufzulösen. Seine bisherige Stellvertreterin Boluarte wurde kurz darauf als seine Nachfolgerin vereidigt.
Das Oberste Gericht des Landes verhängte am Donnerstag sieben Tage Untersuchungshaft gegen Castillo. Der Politiker war im Juli 2021 als politischer Außenseiter an die Staatsspitze gewählt worden. Seitdem befand sich der 53-Jährige in einem ständigen Machtkampf mit dem konservativ dominierten Kongress. Dieser hatte bereits zweimal vergeblich versucht, ihn wegen "moralischer Unfähigkeit" des Amts zu entheben.
Besonders in ländlichen Gebieten, in denen Castillo großen Rückhalt genießt, kochten die Proteste hoch. Der linke Ex-Präsident ist ein früherer Lehrer und politischer Quereinsteiger aus einer von Armut geprägten Andenregion.