Haiti Präsident Moïse ermordet
Unbekannte Angreifer haben den haitianischen Präsidenten Moïse in seinem eigenen Haus getötet. Interims-Ministerpräsident Joseph sprach von einem "barbarischen Akt". Regierungen weltweit reagierten entsetzt auf das Attentat.
Haitis Präsident Jovenel Moïse ist nach Angaben der Regierung ermordet worden. Eine Gruppe bislang unbekannter Angreifer habe in der Nacht die Privatresidenz des Präsidenten in der Hauptstadt Port-au-Prince überfallen und Moïse erschossen, teilte Interims-Ministerpräsident Claude Joseph mit. Er sprach von einem "inhumanen und barbarischen Akt".
Auch Moïses Frau wurde bei dem Angriff demnach verletzt. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. Joseph erklärte, er habe nun die Verantwortung für die Führung des Landes. Er rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und kündigte an, Polizei und Armee würden für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen.
Der Regierungschef des Karibikstaates rief zudem den Ausnahmezustand aus. "In strikter Anwendung" des Verfassungsartikels 149 habe er einen außerordentlichen Ministerrat geleitet, erklärte Joseph. "Wir haben entschieden, im ganzen Land den Belagerungszustand auszurufen." Der Regierung verlieh Joseph zusätzliche Befugnisse.
Nach Informationen des langjährigen ARD-Korrespondenten Peter Sonnenberg aus Haiti gab es in der Nacht in der Residenz des Präsidenten einen heftigen Kampf, bei dem zahlreiche Schüsse aus automatischen Gewehren gefallen seien, auch habe es eine Explosion gegeben. Die Angreifer seien demnach auffällig gut mit modernen Waffen ausgerüstet gewesen, angeblich hätten sie Spanisch und Englisch gesprochen. Amtssprachen auf Haiti sind Kreolisch und Französisch. Anwohner der Hauptstadt hätten ihm telefonisch berichtet, dass in Port-au-Prince völliges Chaos herrsche und kaum jemand sich traue, auf die Straße zu gehen, sagte Sonnenberg auf tagesschau24.
Umstrittener Präsident
Moïse war im Oktober 2015 zum Staatschef gewählt worden. Die Abstimmung wurde aber nach massiven Protesten der Opposition und dem Bericht einer Prüfkommission über Unregelmäßigkeiten annulliert. Bei der ein Jahr später abgehaltenen Präsidentschaftswahl setzte sich der 53-jährige frühere Geschäftsmann erneut durch. Im Februar 2017 wurde er dann vereidigt.
Innerhalb von vier Jahren wechselte Moïse den Regierungschef des Landes sieben Mal aus. Am Montag gab er die Ernennung des neuen Regierungschefs Ariel Henry bekannt, der Claude Joseph nach nur drei Monaten im Amt ablösen sollte.
Mordanschlag im Februar verhindert?
Kritiker werfen Moïse Korruption und enge Verbindungen zu kriminellen Banden vor. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen gegen seine Regierung und die schlechte Sicherheitslage auf der Karibikinsel. Vor seinem Tod hatte er Haiti per Dekret regiert, nachdem eine Parlamentswahl unter anderem wegen der Proteste gegen ihn verschoben worden war. Erst im Februar war nach Moïses Angaben ein Mordanschlag auf ihn und ein anschließender Staatsstreich verhindert worden.
Nach Einschätzung von Katja Maurer von medico international ist die Ermordung Moïses Folge einer schon länger laufenden Gewaltwelle, die auch von ihm selbst iniitiert worden sei. Moïses Regierung habe nachweislich Gangs auf die Straßen geschickt, um eine Verfassungsänderung durchzusetzen, die ihm eine neue Kandidatur und eine Wiederwahl ermöglichen sollte, so Maurer auf tagesschau24.
Bis dahin seien die Gangs in ihren eigenen Vierteln geblieben, nun seien sie auch in die Viertel der Mittelschicht vorgedrungen. Die Menschen hätten seit langem nicht mehr auf die Straße gekonnt und bei jedem Einkauf um ihr Leben fürchten müssen. Moïse habe die Errichtung einer Diktatur angestrebt - viele Beobachter hätten deshalb schon lange mit einem Attentat auf ihn gerechnet. Maurer kritisierte in diesem Zusammenhang auch die internationale Staatengemeinschaft, die Moïse bis zuletzt unterstützt habe.
Premierminister Johnson "schockiert und traurig"
International löste der Anschlag auf Moïse Bestürzung aus. Das Weiße Haus verurteilte die Ermordung des Präsidenten als "entsetzlich". Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, erklärte, Washington sei bereit, Ermittlungen zu dem Anschlag zu unterstützen. "Schockiert und traurig" über den Anschlag auf Moïse zeigte sich der britische Premierminister Boris Johnson. "Dies ist ein abscheulicher Akt und ich rufe in dieser Zeit zur Ruhe auf", schrieb er im Online-Dienst Twitter.
Haiti gilt als eines der ärmsten Länder weltweit - etwa 60 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Aktivitäten krimineller Banden sorgen für große Verunsicherung in der Bevölkerung.