Wahl in Guatemala "Pakt der Korrupten"
Heute wird in Guatemala gewählt. Für die meisten Menschen prägen Armut und Gewalt den Alltag. Beobachter sehen die Entwicklung des zentralamerikanischen Landes mit Sorge - und fürchten um die Demokratie.
Adeleida López verfolgt den Wahlkampf im Radio. Es baumelt an einer Schlaufe draußen vor ihrem Haus vom Wellblechdach. López lebt in einem ärmlichen Dorf im Departamento Huehuetenango, im Nordwesten Guatemalas. Sie hält die Wahlversprechen alle für Lügen. Etwa, dass Lebensmittel billiger werden sollen. Die 30-jährige indigene Mutter von vier Kindern hat kaum Hoffnung, dass sich an ihren Verhältnissen mit einer neuen Regierung etwas verändern wird.
Vor ihrem einfachen Haus aus Lehmziegeln und Erde stehen Plastikwannen und Tonnen, um Regenwasser aufzufangen. Doch der bleibt schon seit Monaten aus - der Klimawandel macht sich bemerkbar. Auf einem kleinen überschaubaren Acker hat sie Kartoffeln und Mais angebaut. Von der Ernte würde sie einige Monate überleben können. Doch ohne Wasser drohen die Pflanzen zu vertrocknen.
Die 30-jährige Mutter von vier Kindern, Adeleida López, hat kaum Hoffnung, dass sich an ihren Verhältnissen mit einer neuen Regierung etwas verändern wird.
60 Prozent der Bevölkerung in Armut
Rund 60 Prozent der Bevölkerung in Guatemala leben in Armut, 50 Prozent der Kinder leiden an Unterernährung. Armut, Gewalt und die Folgen des Klimawandels prägen den Alltag. Millionen sehen in ihrer Heimat keine Perspektive mehr, viele flüchten in Richtung USA.
Heute sind die knapp 9,4 Millionen Wahlberechtigten des Landes dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Gewählt werden der Staatspräsident und sein Vize, 160 Kongressabgeordnete, 340 Bürgermeister und 20 Abgeordnete für das Parlament des zentralamerikanischen Landes.
Heute sind die knapp 9,4 Millionen Wahlberechtigten in Guatemala dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
Warnung vor Verfall der Demokratie
Doch Menschenrechtsorganisationen warnen vor einem Verfall der Demokratie in Guatemala. Unabhängige Richter, Staatsanwälte und Vertreter von Indigenenverbänden werden kriminalisiert, die Presse verfolgt. Zuletzt musste die regierungskritische Zeitung "El Periódico" schließen. Die Tageszeitung hatte immer wieder bedeutende Korruptionsfälle aufgedeckt. Der Chefredakteur José Rubén Zamora wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf: Geldwäsche. Der Journalistenverband spricht von einem politisch motivierten Verfahren.
Der Leiter der internationalen Entwicklungshilfeorganisation Oxfam in Guatemala, Ricardo Saenz de Tejada, betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. Von demokratischen Wahlen könne keine Rede sein. "Diese Wahlen finden im Kontext einer autoritären Offensive statt. In Guatemala hat eine Allianz illegaler politischer und wirtschaftlicher Netzwerke de facto die Macht. Es sind Korruptionsnetze, Netze des organisierten Verbrechens, an denen Geschäftsleute, Politiker, Beamte, pensionierte und aktive Militärs beteiligt sind. Sie haben die Kontrolle übernommen."
Die Kandidatur von Zury Ríos gilt als besonders umstritten. Als Tochter des verstorbenen Generals und Diktators Efraín Ríos Montt hätte sie laut Verfassung eigentlich gar nicht antreten dürfen.
Kandidaten aus fadenscheinigen Gründen ausgeschlossen
Als "Pakt der Korrupten" werden diese Kreise bezeichnet. Beobachter sind überzeugt, dass diese Allianz am Ende die zukünftige Präsidentin oder den Präsidenten Guatemalas ins Amt heben wird. Drei Präsidentschaftskandidaten wurden bereits im Vorfeld nicht zugelassen.
Das guatemaltekische Verfassungsgericht hat sie aus fadenscheinigen Gründen von der Wahl ausgeschlossen. Darunter war auch die indigene Thelma Cabrera mit ihrem Vize. Die Linkspolitikerin war für die "Bewegung für die Befreiung der Völker" angetreten. Geblieben sind 21 Kandidatinnen und Kandidaten, die zur Wahl stehen.
Dem ehemaligen UN-Diplomaten Edmond Mulet von der Mitte-Rechts-Partei Cabal wird vorgeworfen, mit der Regierung zu paktieren.
Drei umstrittene Favoriten
Der aktuelle Präsident Alejandro Giammattei kann nach einer Legislaturperiode nicht mehr antreten. Drei Kandidierende gelten nun als Favoriten: Die Kandidatur von Zury Ríos gilt als besonders umstritten. Als Tochter des verstorbenen Generals und Diktators Efraín Ríos Montt hätte sie laut Verfassung eigentlich gar nicht antreten dürfen. Die Gerichte haben jedoch in diesem Fall eine Teilnahme genehmigt.
Als Favorit gilt auch der ehemalige UN-Diplomat Edmond Mulet von der Mitte-Rechts-Partei Cabal. Ihm wird vorgeworfen, mit der Regierung von Giammattei zu paktieren. Die 67-jährige Sandra Torres tritt bereits zum dritten Mal an. Die ehemalige Präsidentengattin soll in verschiedene Korruptionsfälle verwickelt sein. Eine Stichwahl gilt als wahrscheinlich, da im ersten Wahlgang voraussichtlich keiner der Kandidaten über die nötigen 50 Prozent kommen wird.
Die ehemalige Präsidentengattin Sandra Torres soll in verschiedene Korruptionsfälle verwickelt sein.
Kampf gegen Bandengewalt wie in El Salvador
Das Thema Sicherheit habe bei vielen Kandidaten im Wahlkampf eine große Rolle gespielt, nicht nur bei den Favoriten, so Walter Corzo, der mit seiner Nichtregierungsorganisation Dialogos die Wahlen beobachtet. Denn auch Guatemala leidet unter massiver Gewalt durch kriminelle Banden. Im letzten Jahr wurden mehr als 3000 Menschen ermordet.
Die Kandidaten hätten vor allem mit der umstrittenen Strategie des autoritär regierenden salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele geworben. Mit einem dauerhaften Ausnahmezustand und Massenverhaftungen ist es ihm gelungen, die Gewalt in El Salvador einzudämmen. Von der Mehrheit der Bevölkerung bekommt er dafür viel Zustimmung. Dass ihre Rechte dafür beschnitten werden, scheinen viele in Kauf zu nehmen.
Migration in die USA
Bis zum Ende der Wahlkampagne tourten Politikerinnen und Politiker auf Stimmenfang durch die Gemeinden. Es wurden unter anderem Kochtöpfe, Fußbälle und sogar vordatierte Schecks verteilt, die nur ausgezahlt werden können, wenn der Kandidat gewinnt. Im Radio hört Adeleida López an diesem Tag die Präsidentschaftskandidatin Sandra Torres. Mit ihrer Wahl werde der Wechsel eingeleitet, verspricht die Kandidatin.
Doch darauf will sich Adeleida nicht verlassen. Vor wenigen Wochen ist ihr Mann in Richtung USA aufgebrochen, so wie Tausende Guatemalteken im Monat. "Mein Mann ist vor 22 Tagen losgegangen. Hier in Guatemala kann er kein Geld verdienen, deswegen will er in die USA, damit er für unsere Kinder sorgen kann. Gott weiß, ob er dort jemals ankommen wird", sagt sie.
Erst vor wenigen Tagen landeten zwei Abschiebeflüge in Guatemala-Stadt. An Bord waren 400 Männer und Frauen, die auf eine bessere Zukunft in den USA gesetzt hatten.