Brasilien Drei Festnahmen im Mordfall Marielle Franco
Der Mord an der brasilianischen Politikerin Marielle Franco sorgte 2018 international für Aufsehen. Doch bislang kamen die Ermittlungen kaum voran. Nun gibt es Festnahmen. Politik und Polizei scheinen verstrickt zu sein.
"Murder Inc." nannte sich die Operation, die im Morgengrauen des Sonntags in Rio de Janeiro startete. Festgenommen wurden drei Personen. Sie sollen die Drahtzieher sein, die hinter der Ermordung der linken Stadträtin Marielle Franco stehen. Am 14. März 2018 wurden die beliebte Politikerin und ihr Fahrer umgebracht. Der Fall sorgte international für Entsetzen. Seit sechs Jahren warten die Angehörigen auf Gerechtigkeit.
"Heute ist ein historischer Tag für die brasilianische Demokratie", schrieb Francos Schwester Anielle auf der Plattform X. Sie ist Ministerin für die Gleichstellung ethnischer Gruppen in der Regierung des linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Monica Benicio, die Witwe der ermordeten Stadträtin, trat vor die Presse:
"Ohne Zweifel ist heute ein wichtiger Schritt für die Demokratie und für ganz Brasilien. Aber es ist auch der Beginn eines neuen Kampfes. Wir wollen, dass jeder zur Verantwortung gezogen wird, dass jeder identifiziert wird, damit wir Gerechtigkeit für Marielle und Anderson erreichen können."
Polizei und Politiker mutmaßlich in Mord verwickelt
Einer der Verdächtigen ist der damalige Chef von Rios Zivilpolizei, Rivaldo Barbosa. Er versprach Francos Angehörigen 2018 noch, den Fall zu lösen. Die anderen beiden mutmaßlichen Hinterleute waren demnach Chiquinho Brazão, ein Abgeordneter des Nationalkongresses, und sein Bruder Domingos, ein Mitglied des Rechnungshofes des Bundesstaates Rio de Janeiro.
Die Enthüllung, dass der einstige Polizeichef Rios am wahrscheinlich berühmtesten Verbrechen der Stadt beteiligt war, kam für die Angehörigen unerwartet. Leider erzähle es aber viel über die Politik in Rio de Janeiro und die Verwicklung der Polizei mit der Unterwelt, so Benicio.
"Wir verstehen nun, dass die Zivilpolizei nicht nur fahrlässig gehandelt hat. Es lag nicht nur an einem 'Misserfolg', dass wir sechs Jahre lang Schmerzen hatten. Sondern vor allem, weil sie die ganze Zeit, während sie den Fall lösen wollten, als Komplizen mitschuldig waren", erklärte Benicio.
Monica Benicio, Marielle Francos Witwe, gibt der Presse ein Interview nach den Festnahmen.
Deal führte zu Festnahmen
Marielle Franco war am 14. März 2018 in ihrem Auto erschossen worden. Die damals 38-jährige Afrobrasilianerin galt als eine Hoffnungsträgerin der brasilianischen Linken. Als Stadträtin der Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) setzte sie sich ab 2017 für die Bewohner der Favelas, der Armenviertel von Rio ein. Zudem sprach sie sich gegen Polizeigewalt aus.
Ein ehemaliger Polizist wurde als mutmaßlicher Schütze verhaftet, kam bislang aber nicht vor Gericht. Im Januar schloss er einen Deal mit den Behörden - seine Aussagen sollen zu den Festnahmen geführt haben. Die Beschuldigten bestritten laut ihren Anwälten jegliche Verantwortung.
"Meiner Meinung nach stellt dies einen bedeutenden Triumph des brasilianischen Staates gegen die organisierte Kriminalität dar," erklärte Justizminister Ricardo Lewandowski bei einer Pressekonferenz in Brasilia.
Chiquinho Brazao kommt nach seiner Festnahme am Flughafen in Brasilia an
Er sagte, Untersuchungen hätten ergeben, dass einer der Verdächtigten - der Abgeordnete Brazão - besonders verärgert über einen Gesetzentwurf Francos war, der die Regulierung von Land für den Bau von Sozialwohnungen in Rio vorsah. Den Brazão-Brüdern - die ihre politische Karriere im von Milizen dominierten Westen Rios aufgebaut haben - wird seit Langem vorgeworfen, in die organisierte Kriminalität verwickelt zu sein. Sie bestreiten das.
Abstimmung im Unterhaus
Das brasilianische Unterhaus wird demnächst darüber abstimmen, ob die Verhaftung des Abgeordneten Chiquinho Brazão, der ein Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro ist, bestand haben wird. Eine einfache Mehrheit könnte ihn im weiteren Verlauf der Ermittlungen freilassen.