Außenministerin Baerbock unhd die kolumbianischen Vizepräsidentin Francia Marquez

Baerbock auf Lateinamerika-Reise "Ohne Frauen kein Frieden"

Stand: 10.06.2023 16:49 Uhr

Ressortchefin Baerbock hat feministische Außenpolitik zur Leitlinie ihrer Amtsführung gemacht. Auf ihrer Lateinamerika-Reise erfuhr sie, wie diese gegen alle Widerstände umgesetzt werden kann.

Von Anita Fünffinger, ARD Berlin und Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

"Feministische Außenpolitik" - das ist der Begriff, den Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrer Person in diesem Amt verbinden will. Auf ihrer Lateinamerika-Reise von Brasilien über Kolumbien nach Panama zieht sich diese Maxime wie ein roter Faden durch. Sie trifft dabei auf Menschen, die längst weiter denken als viele in Deutschland. 

Baerbock zuckt kurz zusammen, als sie neben der kolumbianischen Vizepräsidentin Francia Marquez steht und diese bei einer Pressekonferenz über neueste rassistische Äußerungen aufgrund ihrer Hautfarbe gefragt wird. Man sieht der Außenministerin an, wie schockiert sie ist, welche Anfeindungen Marquez täglich ertragen muss. "Meine volle Solidarität", drückt Baerbock ihr aus und verurteilt scharf jegliche rassistischen Anfeindungen.

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Man merkt, wie sie das beschäftigt und wie sie die Widerstände in dem Land spürt. Eine starke Frau ist die kolumbianische Vizepräsidentin, die schon viele Kämpfe ausgetragen hat. Baerbock ist in Kolumbien plötzlich in einem anderen politischen Umfeld: Ihr gegenüber sitzen politische Beraterinnen, eine weibliche Delegation - das ist sie aus dem Berliner Politikbetrieb nicht gewohnt, in dem der Anteil der Männer immer noch überwiegt.

Gelebter Feminismus in Kolumbien

Francia Marquez ist nicht nur einmal dem Tod entkommen, auf sie wurden mehrere Anschläge verübt. Wo die kolumbianische Vizepräsidentin genau wohnt, darf keiner wissen. Marquez ist schwarz, sie gehört zur Minderheit im Land. Im Reichenviertel von Bogota sagen sie: "Das könnte meine Putzfrau sein, aber doch nicht eine hochrangige Politikerin."

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Marquez sagt über sich, Frauen wie sie sollten nach der Vorstellung sehr vieler Menschen in der Gesellschaft nicht in der Politik sein. Das sei nicht gewünscht, ihr schlage ein großer feministischer Hass entgegen.

Eine Generation, die keinen Frieden kennt

Kolumbien hat mehr als 50 Jahre Bürgerkrieg hinter sich. Die Generation von Marquez kennt keinen Frieden. Aber sie will für Frieden sorgen. Die Gespräche für einen Waffenstillstand im Land befanden sich am Wochenende in einer entscheidenden Phase.

Für Baerbock ist die Beteiligung von Frauen an solchen Prozessen entscheidend. Bei ihrem Besuch in Cali betonte sie, in Kolumbien werde deutlich, ohne Frauen gebe es keinen Frieden. Alles hänge mit allem zusammen. Ohne Frieden gebe es keinen Klimaschutz und ohne Klimaschutz keine nachhaltige Entwicklung. 

Klimaschutz ist großes Thema

Ungewöhnlich scheint auch die große Bereitschaft in vielen Ländern, die Energiewende voranzutreiben. So will Kolumbien 2030 aus der Kohle aussteigen, erhofft sich das "Know-how" aus Deutschland. Solche Worte schmeicheln der deutschen Außenministerin. Klimapolitik und feministische Außenpolitik in einem - so könnte es nach Baerbocks Geschmack überall laufen.  

Und so zieht sich bei ihrer Reise wie ein roter Faden durch: die Kombination aus starken Frauen und die Bereitschaft, mehr für den Klimaschutz zu tun - sei es in Kolumbien, sei es aber auch in Panama, wo Außenministerin Janaina Tewaney über Wasserstoff, neue Energien redet und die Bedeutung, den Regenwald zu schützen. Zu sehr sei der Panama-Kanal vom Klimawandel betroffen. Es ist zu wenig Wasser im Kanal, es regnet zu wenig - das hätte auch irgendwann Auswirkungen auf den weltweiten Handel. Alarmierende Worte, die Baerbock auch nachdenklich stimmen.

 

Feministische Außenpolitik - immer noch Gedöns?

Wenn die Außenministerin solche Sätze in Lateinamerika sagt, zieht niemand im Publikum die Augenbrauen hoch. Ablehnung dieser Politik kennt Baerbock in Deutschland zu gut. Es war Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der Baerbock vor gut einem Jahr im Bundestag entgegenrief, sie könne ja gern feministische Außenpolitik machen, aber doch bitte nicht mit dem Etat für die Bundeswehr.

Als Baerbock zur Replik ansetzte und sagte, das breche ihr das Herz, fasste sich Merz noch lachend an die Brust. Später wurde er still, als Baerbock schilderte, wie sich vergewaltigte Frauen im ehemaligen Jugoslawien bei ihr bedankten, weil ihnen endlich mal jemand zugehört habe. Merz hat seitdem nie wieder versucht, das Thema lächerlich zu machen. 

Gelebte Selbständigkeit in Brasilien

Die Frauen im Mündungsgebiet des Amazonas müssen schmunzeln, als Baerbock ihnen erklärt, dass in Deutschland nun feministische Außenpolitik gemacht werde. "Gender-sensibel" sollen Projekte wie ihres - der Anbau und die Vermarktung von Kakao und Acai im Regenwald von Combu - unterstützt werden.

Was die Außenministerin sich wünscht, wird hier schon längst gelebt: Nachhaltig wird nur das angebaut, was sie brauchen. Sie verdienen damit 300 Euro im Jahr. Ganz ohne Männer, die arbeiteten in der Fabrik. 

Lateinamerika weiter als Deutschland

Als in Cali in Kolumbien Francia Marquez, die Vizepräsidentin des Landes, zur Bühne geht, um den UNIDAS-Preis entgegenzunehmen - ein Preis des deutsch-lateinamerikanischen Frauennetzwerkes, für das die deutsche Außenministerin die Schirmherrschaft übernommen hat - bauen sich Sicherheitsleute rund um die Bühne auf.

20 Jahre lang sollte sie ermordet werden, weil sie den Frieden verteidigt habe, erzählt Marquez stolz und selbstbewusst. Am Ende der Veranstaltung umarmen sich beide Frauen. Annalena Baerbock hat großen Respekt vor dieser Frau im gleichen Alter. Sie sagt, Lateinamerika sei Deutschland in der feministischen Außenpolitik weit voraus.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Juni 2023 um 17:00 Uhr.