Eine Wählerin in Hargeisa (Somaliland) wird bei der Stimmabgabe mit Irisscanner überprüft.

Wahl in Somaliland Ein Präsident für ein Land, das es nicht gibt

Stand: 13.11.2024 19:13 Uhr

Im seit Jahrzehnten abtrünnigen Somaliland wird ein neuer Präsident gewählt. Dabei gehört Somaliland völkerrechtlich zu Somalia. Aber das könnte sich ändern, denn die günstige Lage Somalilands weckt Interesse.

Bei dieser Wahl wurde in Somaliland zum ersten Mal Hightech eingesetzt: In einigen Wahlbüros wurden Wählerinnen und Wähler anhand von Iris-Scannern verifiziert - eine Maßnahme, durch die es weniger weniger Wahlbetrug geben soll und mehr Vertrauen in das Wahlergebnis.

Rund eine Million Menschen waren wahlberechtigt. Beobachter berichten von einer hohen Wahlbeteiligung und gut funktionierenden Abläufen.

Die Präsidentschaftswahl sei für Somaliland eine gute Gelegenheit, seine demokratische Glaubwürdigkeit zu beweisen, sagt Omar Mahmood von der International Crisis Group. Seit 2003 werden dort regelmäßig Wahlen abgehalten, es gibt ein Mehrparteiensystem.

Somaliland gilt im Vergleich zum benachbarten Somalia als traditionell demokratisch und stabil. In Somalia kontrolliert die Terrorgruppe Al Shabaab große Teile des Landes und verübt regelmäßig Anschläge mit Toten und Verletzten. Dagegen sei die Lage in Somaliland vergleichsweise sicher, sagt Mahmood.

Wähler stehen in Hargeisa (Somaliland) an, um ihre Stimme abzugeben.

In der Hauptstadt Hargeisa bildeten sich vor den Wahllokalen lange Schlangen.

Instabilität führt zur Abspaltung

Sicherheit und Stabilität waren zwei Gründe, warum sich das kleine Somaliland vor mehr als 30 Jahren vom großen Somalia abgespalten und für unabhängig erklärt hat. Damals war die Regierung in der somalischen Hauptstadt Mogadischu gestürzt worden, das Land versank im Bürgerkrieg.

Völkerrechtlich ist Somaliland bis heute kein eigenständiger Staat. Außer Taiwan erkennt es kein Land der Welt an. International gilt es als autonome Region in Somalia.

Doch viele Menschen in Somaliland sehen das anders. Ihnen ist ihre eigene Regierung, ihre eigene Währung, der Somaliland-Schilling und ihre Landesflagge wichtig.

Starker Mann oder diplomatische Kraft?

Eigenständigkeit im Innern und Anerkennung von außen - das ist für alle Präsidentschaftskandidaten in Somaliland von großer Bedeutung.

Zwei Männer haben gute Chancen im Rennen um das Amt des Präsidenten. Amtsinhaber Muse Bihi Abdi, ein ehemaliger Militäroffizier, der mit seiner Partei Somaliland seit 2017 regiert. Aber auch der prominente Oppositionskandidat Abdirahman Mohamed Abdullahi vereint viele Anhänger hinter sich.

Ideologisch gesehen gebe es keinen großen Unterschied zwischen den beiden großen politischen Parteien, meint Menschenrechtsanwalt Guleid Ahmed Jama. Aber es gebe große Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten. Amtsinhaber Abdi werde von vielen Menschen in Somaliland als starker Mann des Militärs wahrgenommen, Oppositionsführer Abdullahi gelte eher als diplomatischer Politiker.

Karte mit Somalia, Somaliland, Eritrea und Äthiopien.

Die Interessen der Nachbarn

Der neue Präsident von Somaliland wird entscheiden müssen, wie es im schwelenden Konflikt zwischen Somalia und Äthiopien weitergeht. Nach einer neuen Vereinbarung will sich das große Nachbarland Äthiopien über das Gebiet von Somaliland einen Meereszugang sichern. Es geht um einen etwa 20 Kilometer langen Küstenstreifen, den Äthiopien pachten möchte, um dort einen Marinestützpunkt zu bauen.

Im Gegenzug hat Äthiopien angekündigt, Somaliland als unabhängigen Staat anzuerkennen. Das wäre ein Schlag ins Gesicht für die somalische Regierung in Mogadischu. Denn sie betrachtet Somaliland nach wie vor als Teil ihres eigenen Staates.

Günstige Lage

Somaliland gilt heute für manchen als Vorbild, auch, was die Wirtschaft angeht. Das hat vor allem mit der strategischen Lage am Horn von Afrika zu tun. Somaliland liegt am Golf von Aden, einer wichtigen Schifffahrtsstraße. Ein leuchtendes Symbol des Fortschritts ist der neue Tiefseehafen, finanziert von Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Somaliland als Tor nach Ostafrika nutzen.

Ihr Ziel ist es, über Somaliland Handel mit ostafrikanischen Ländern zu treiben, zum Beispiel mit Äthiopien, das mit rund 120 Millionen Einwohnern das bevölkerungsstärkste Binnenland der Welt ist und große Wachstumsperspektiven bietet.

Somaliland dagegen ist ein Land, das es offiziell gar nicht gibt, aber mit dem viele Länder bereits Geschäfte machen - auch ohne Somaliland als unabhängigen Staat anzuerkennen.