Syrien Assad im Aufwind
Syriens Machthaber Assad war lange isoliert. Nun wächst in der Region wieder die Bereitschaft, mit seinem Regime zu sprechen. Sogar ein Deal mit der Türkei nimmt Formen an. Was hat sich geändert?
Ein angedeutetes Küsschen links, ein weiteres rechts, dazu ein breites Lachen. Als Baschar al-Assad vergangenen Mittwoch den Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate in Damaskus empfing, konnte er seine gute Laune kaum verbergen.
Für Syriens Machthaber hatte sich da bereits abgezeichnet, dass die erste Woche des neuen Jahres eine gute werden würde. Nicht nur konnte er sich darüber freuen, den politisch wie wirtschaftlich so wichtigen Kontakt zu den Herrschern am Golf, die er letztes Jahr bereits in Abu Dhabi besucht hatte, weiter zu vertiefen. Nein, auch ein wichtiger Nachbar aus dem Norden machte einen weiteren großen Schritt auf ihn zu.
Assads Kontakte in die Region werden wieder intensiver - das zeigt auch das Gespräch mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate in Damaskus.
Erdogan spricht von Treffen
"Wir werden unsere Außenminister zusammenbringen und dann, je nach Entwicklung, werden wir als Führer zusammenkommen." Das erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag und stellte damit erstmals nach Beginn des Krieges in Syrien 2011 wieder ein persönliches Treffen mit Assad in Aussicht - dem Mann, den er in der Vergangenheit noch einen "Mörder" genannt hatte.
Jahrelang hatte die türkische Regierung als Unterstützer der syrischen Opposition auf einen Sturz Assads gedrängt. Davon ist jetzt nicht mehr viel zu hören.
Dem angekündigten Treffen der Außenminister war Ende Dezember bereits ein Treffen der Verteidigungsminister in Moskau vorausgegangen. Auf Einladung von Assads wichtigstem Verbündeten Russland wolle man gemeinsam nach "Lösungen" in Syrien suchen, hieß es.
Erdogans Problem mit der Stimmung gegenüber Flüchtlingen
Was für Lösungen sind gemeint? Es ist kein Geheimnis, dass der türkische Präsident im Wahljahr innenpolitisch unter Druck steht, weil sich die Stimmung gegenüber syrischen Flüchtlingen in seinem Land zuletzt deutlich verschlechterte. Mehr als dreieinhalb Millionen Syrer leben in der Türkei und Erdogan möchte diese Menschen gerne loswerden.
In Moskau soll über dieses Thema gesprochen worden sein, aber auch über das weitere Vorgehen gegenüber der Kurdenmiliz YPG, die den Nordosten Syriens kontrolliert und der Türkei ein Dorn im Auge ist.
Wie könnte ein Deal aussehen?
Stellt Ankara Damaskus eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und die Rückkehr zu engeren Handels- und Sicherheitsbeziehungen in Aussicht, um im Gegenzug Assad dazu zu bringen, für alle Zeit eine vollständige Autonomie der Kurden in Syrien auszuschließen? Gut möglich.
Zudem dürfte Erdogan darauf hoffen, seine in den vergangenen Wochen bereits mehrfach angekündigte Bodenoffensive gegen die Kurden in Syrien, sollte sie denn kommen, ohne viel Gegenwehr von Assad und dessen russischen Unterstützern durchziehen zu können.
Die Türkei bezeichnet kurdische Kräfte an seiner Grenze als terroristische Bedrohung. Seit 2016 sind Erdogans Soldaten mehrmals mit Panzern über die Grenze vorgerückt und halten Teile syrischen Staatsgebietes unter ihrer Kontrolle.
Syrische Opposition in wachsender Angst
In Syrien blicken jetzt aber nicht nur die Kurden alarmiert auf die neue Nähe zwischen Erdogan und Assad. Vor allem in den Gebieten, die noch von der syrischen Opposition beherrscht werden, wächst die Angst, von Ankara im Stich gelassen zu werden.
In der Rebellenregion Idlib, in der vor allem islamistische Gruppen das Sagen haben, sehen viele Menschen die Türkei als Schutzmacht. Viele verzweifelte Regimegegner gehen in diesen Tagen in Idlib auf die Straße, schwenken die schwarz-weiß-grüne Flagge der syrischen Opposition und fordern Erdogan lautstark auf, sich Assad doch nicht anzunähern.
Wird ihr Protest Erfolg haben? Aller Voraussicht nach nicht.
Idlib wieder im UN-Sicherheitsrat
Mit der Lage in Idlib befasst sich unterdessen an diesem Montag auch einmal mehr der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, denn am 10. Januar läuft eine UN-Resolution aus, die sicherstellt, dass Hilfsgüter über die Türkei auch in syrische Landesteile gebracht werden können, die nicht von der Regierung in Damaskus kontrolliert werden.
Vor sechs Monaten hatte Russland zunächst ein Veto eingelegt und der Grenzübergang Bab al-Hawa musste vorübergehend schließen. Sollte es jetzt im Winter wieder zu so einer Hängepartie kommen, hätte das verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung.
Hilfsorganisationen zufolge sind im Nordwesten Syriens schon jetzt mehr als eine Million Binnenflüchtlinge von Unterernährung betroffen. Legt Russland dieses Mal trotzdem wieder ein Veto ein? Unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen.
Neue Gesprächsmöglichkeiten für Assad
Baschar al-Assad wird sich das alles in Ruhe anschauen können, scheint er sich doch weiter im Aufwind zu befinden. Nicht nur kontrollieren seine Truppen rund zwei Drittel Syriens, nein, nach vielen Jahren der Isolation, in denen seine Regierung allein von Russland und vom Iran unterstützt wurde, tun sich ihm lange verloren geglaubte Gesprächskanäle auf.
Und der Westen? In Europa und Amerika reagiert man irritiert bis verärgert auf die jüngsten arabischen und türkischen Annäherungsversuche an Assad. "Wir haben unseren Alliierten und Partnern klar gemacht hat, dass jetzt nicht die Zeit ist, Beziehungen zu normalisieren", so US-Außenministeriumssprecher Ned Price vor kurzem in Washington.
Eine Schelte, die ziemlich hilflos klang. Gerade der Einfluss der Vereinigten Staaten in Syrien dürfte angesichts der jüngsten Entwicklungen weiter sinken.