Mädchen in der Al-Qadisiya-Schule in Port Sudan

Frauen und Mädchen im Sudan "Der Krieg hat die Lage deutlich verschlimmert"

Stand: 08.03.2025 03:52 Uhr

Im sudanesischen Bürgerkrieg werden Vergewaltigungen als Kriegswaffe gegen Frauen eingesetzt. Aufgrund der humanitären Notlage werden Mädchen zwangsverheiratet, viele haben keinen Zugang zu Bildung.

Von Anna Osius, ARD Kairo, zzt. Sudan

Die Al-Qadisiya-Mädchenschule im Norden der Hafenstadt Port Sudan liegt in einer armen Gegend, draußen vor dem Schultor gibt es kaum eine gepflasterte Straße, nur heruntergekommene Hütten. Menschen und Ziegen suchen im Müll der Großstadt nach verwertbaren Dingen. Hinter dem gelb gestrichenen Schultor beginnt eine andere Welt: fröhliche Kinderstimmen, bunt bemalte Wände.

In der sechsten Klasse verteilt die Lehrerin gerade neue Schulbücher - die Mädchen applaudieren vor Freude. Rund 80 Schülerinnen sitzen dicht gedrängt in den Bänken, immer drei teilen sich ein Mathebuch. Aber wenigstens haben sie überhaupt Bücher und können zur Schule gehen. Finanziert wird die Schule von der Europäischen Union.

"Ich gehe gerne zur Schule, weil mir lernen Spaß macht", erzählt die 12-jährige Hala. "Am liebsten mag ich Englisch und Wissenschaft. Ich möchte später Ärztin werden." Ihre Klassenkameradin Nada fügt hinzu: "Ich will lernen und eine der besten sein. Wir wollen alle später Lehrerinnen und Ärztinnen werden."

Viele Schulen geschlossen

Dass 12-jährige Mädchen im Sudan solche Perspektiven haben, ist alles andere als selbstverständlich. Viele Schulen im Land sind aufgrund des Bürgerkrieges geschlossen oder dienen als Notunterkunft für die Millionen Binnenvertriebenen im Land. Schätzungen von Hilfsorganisationen zufolge gehen 17 Millionen Kinder im Land nicht zur Schule. Wenn eine Schule noch betrieben wird, ist sie überfüllt.

Die Dichte in den Klassen sei hoch, erzählt Schulleiterin Mahasen Omar. Jede Klasse habe bis zu 150 Schüler. "Zum Glück wurde eine Schulspeisung eingeführt, die Mädchen bekommen hier eine warme Mahlzeit. Vorher sind die Mädchen hungrig in die Schule gekommen und wurden oft ohnmächtig, weil sie nicht genug zu essen hatten", sagt die Schulleiterin. "Die Schülerinnen waren krank und schwach. Durch die Mahlzeit hat sich die Lage verbessert."

Schülerinnen der Al-Qadisiya-Schule beim Mittagessen

Das Essen an der Schule ist oft die einzige Mahlzeit der Mädchen

Schlimmste humanitäre Krise der Welt

Im Sudan herrscht laut UN die schlimmste humanitäre Krise der Welt, 25 Millionen Menschen sind von Hunger bedroht. Die warme Mahlzeit in der Schule ist oft die einzige für die Kinder am Tag. 

Vor allem Mädchen haben es in der teilweise immer noch sehr konservativen sudanesischen Gesellschaft schwer. In der Region Port Sudan werden sie oft schon als Teenager verheiratet. Bildung schütze die Kinder vor sexuellem Missbrauch und Kindesheirat, sagt Fatma Suleiman von der Hilfsorganisation Save the Children.

"Schon ab 12 Jahren werden die Mädchen hier verheiratet, weil die Familien einen Hungrigen weniger im Haus haben wollen", so Fatma Suleiman. Der Krieg habe die Lage für Mädchen deutlich verschlimmert. "Wenn die Mädchen aber zur Schule gehen und in der Schule auch essen, haben sie gute Chancen, erstmal nicht verheiratet zu werden."

Kriegsverbrechen gegen Frauen

Es sind die Frauen, die im sudanesischen Bürgerkrieg viel schultern müssen: die ihre Männer verloren haben, auf der Flucht sind mit kleinen Kindern, und die im Sudan gezielt Opfer von Kriegsverbrechen werden. Vor allem die RSF-Miliz, die im Bürgerkrieg gegen die nationale Armee kämpft, ist für grausame Menschenrechtsverbrechen bekannt. Frauen werden gezielt vergewaltigt - als Kriegswaffe.

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF meldet für das vergangene Jahr mehr als 200 dokumentierte Fälle, in denen sogar Kinder Opfer von sexueller Gewalt wurden - vergewaltigt von Milizionären, geschändet und weggeworfen. Sogar Kleinkinder sind unter den Opfern. "Die sudanesischen Frauen werden unterdrückt und erleben durch den Krieg besonders schweres Leid", so die politische Aktivistin Nidal Yassin. Viele Frauen seien Opfer von Vergewaltigungen, psychischer Folter und Vertreibung geworden, oft gemeinsam mit ihren Kindern.

Diese Frauen leben nur in Flüchtlingslagern und haben nicht mal die grundlegendste Versorgung. Es sollte mehr Hilfsprojekte für sudanesische Frauen geben, auch für Frauen, sie sich politisch engagieren möchten. Frauen sollten in der Politik stärker vertreten sein und in der Regierung Posten erhalten. 

Nidal setzt sich für eine Veränderung im Land ein. Die 27-Jährige ist bei den Demonstrationen 2019 mit auf die Straße gegangen, um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu fordern. Langzeitherrscher al-Bashir wurde gestürzt. Doch seitdem taumelt der Sudan von einer Krise in die nächste. Statt freier Wahlen gibt es seit fast zwei Jahren einen blutigen Bürgerkrieg zwischen zwei Machthabern des Landes. Nidal wünscht sich, dass Frauen in der Politik stärker vertreten sind.

Nidal Yassin

Frauen leiden besonders unter dem Bürgerkrieg, sagt die politische Aktivistin Nidal Yassin

"Zum Glück gibt es auch Männer die uns unterstützen", sagt sie. Denn Frauen hätten kaum finanzielle Mittel oder Strukturen, um eigene Projekte umzusetzen und ihre Stimme zu erheben. "Es ist sehr schwierig, als Frau in der Politik Gehör zu finden. Ich hoffe, dass meine Stimme in Zukunft gehört wird."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 08. März 2025 um 08:29 Uhr.