Lebensmittelpreise in Niger Wenn man sich Reis nicht leisten kann
In Rom grübeln unter UN-Führung gerade Experten und Laien darüber, wie das Ernährungssystem reformiert werden kann. Denn weltweit hungern Millionen Menschen, etwa weil die Lebensmittel immer teurer werden - so wie in Niger.
In Agadez, im Zentrum des Sahelstaates Niger, regen sich erste Proteste gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise. Der 49-jährige Abdoulkarim Sidi gehört zur neu gegründeten "Vereinigung gegen das teure Leben in Agadez". Für die Not der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es seiner Meinung nach mehrere Gründe: "Nigers Bevölkerung ist jung und kinderreich, die Familien sind arm. Aber die Preise sind hoch, und Niger importiert fast alles, was es braucht, von außen." Hinzu komme nun Corona. Die Pandemie habe den Austausch zwischen den Ländern sowie die inländische Produktion behindert.
Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen belegt der Wüstenstaat Niger mit seinen rund 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern den letzten Platz. Schon heute ist nahezu die Hälfte der Kinder unter fünf mangelernährt. Reserven, um Katastrophen wie Dürren, Krieg oder eben eine Pandemie abzufedern, sind nicht nur in Niger selten vorhanden. Wenn dann die Preise Grundnahrungsmittel wie Reis oder Speiseöl steigen, kann es auf dem Markt schon mal laut werden.
"Ich versuche, mit den Händlern über die Preise zu diskutieren, aber sie senken die Preise nicht", klagt Fatima Mohamed. "Und mit meinem kleinen Gehalt habe ich bemerkt, es ist einfach zu teuer, das Öl, die Tomaten, die Hirse." Fatima hat sogar eine Arbeit. Sie ist Beamtin. Aber ohne drastische Einschränkungen beim Essen, sagt sie, könne sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten. Eine gesunde Ernährung sei da kaum mehr ein Thema.
Regierung soll Preise regeln
Wie geht es da erst einem Arbeitslosen? Ibrahim Salissou ist zum Überleben auf seine Familie angewiesen. Dabei ist er schon 30 Jahre alt: "Wir alle, die wir keine Arbeit haben, appellieren an die Regierung, die Preise der Lebensmittel zu kontrollieren und zu senken. Und auch dafür zu sorgen, dass die Händler die Preise herabsetzen." Diese Preise liegen oft 15 bis 40 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau. Das hatte eine Kommission der westafrikanischen Staaten für Ernährungssicherheit im Juni festgestellt.
Die Menschen in Agadez sehen ihre Regierung in der Pflicht, für bezahlbare Lebensmittel zu sorgen. Viele glauben, der lokale Markt sei außer Kontrolle und man sei der Willkür der Händler ausgeliefert. Rafael Schneider ist stellvertretender Politikchef der deutschen Welthungerhilfe in Bonn, er kennt sich in Niger und der Region aus. Den Ruf nach staatlicher Preisregulierung hält er für gerechtfertigt: "Innerhalb weniger Monate stiegen die Hungerzahlen extrem an, und das liegt auch teilweise an den hohen Preisen und an der geringen Kaufkraft in der Pandemie."
Die Regierung müsse in diesem Fall tatsächlich den Markt regulieren und darauf achten, dass es Nahrungsmittel zu angemessenen Preisen vor Ort gäbe, fordert Schneider. "Das besagt schon das Recht auf Nahrung."
Forderungen nach schnellem Handeln
In Niger ist heute jeder Zweite von Ernährungsunsicherheit betroffen, zwölf von 24 Millionen Menschen. Vor einem Jahr waren es noch acht Millionen. Aus eigener Kraft kann das Land diese Krise kaum bewältigen. Kann der Welternährungsgipfel in Rom hier Abhilfe schaffen? "Ein Gipfel allein wird die Ernährungsituation für viele Menschen nicht verbessern", sagt Schneider. "Wir haben beim Klimawandel gesehen, dass viele Zusagen sehr lange auf die lange Bank geschoben werden, bis die Katastrophe zu Hause eintritt. Das sollten wir in der aktuellen Ernährungssituation doch vermeiden."
Notwendig seien verlässliche Zusagen und schnelles Handeln, sagt der Experte der Welthungerhilfe, bevor noch mehr Menschen abrutschen in den Teufelskreis aus Armut und Hunger.