94,6 Prozent der Stimmen Amtsinhaber Tebboune gewinnt die Wahl in Algerien
Nach dem Abschied von Langzeitherrscher Bouteflika hofften viele Algerier auf mehr Demokratie. Präsident Tebboune steuert laut Kritikern in eine andere Richtung - und bleibt nun weitere Jahre im Amt.
Bei der Präsidentschaftswahl in Algerien hat Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune sich nach vorläufigen Ergebnissen klar durchgesetzt und eine zweite Amtszeit von weiteren fünf Jahren gewonnen. Tebboune habe 94,6 Prozent der Stimmen erhalten, sagte der Vorsitzende von Algeriens Wahlbehörde, Mohamed Charfi. Die beiden Gegenkandidaten blieben demnach völlig chancenlos und erhielt nur drei beziehungsweise zwei Prozent der abgegebenen Stimmen.
Die Wahlbeteiligung war mit nur 48 Prozent ähnlich gering wie vor fünf Jahren. Der Sieg hat für Tebboune damit einen bitteren Beigeschmack und ist auch Ausdruck der Frustration bei vielen Menschen in dem nordafrikanischen Land. Bei der vergangenen Wahl 2019 lag die Wahlbeteiligung historisch niedrig bei knapp 40 Prozent.
Ergebnis wird noch vom Verfassungsgericht geprüft
Nach Verkündung des vorläufigen Ergebnisses wird dieses nun von Algeriens Verfassungsgericht geprüft, das sich unter anderem mit möglichen Berufungsverfahren befasst. Erst dann wird das offizielle Endergebnis verkündet. Dieser Prozess kann bis zu drei Wochen dauern. Die Endergebnisse weichen in Algerien in der Regel aber nicht von den vorläufigen Ergebnissen ab.
Viele Algerier blickten der Wahl, die am Samstagabend endete, gleichgültig entgegen. Das Vertrauen in die Politik hat stark gelitten, auch wegen einer Einschränkung der Bürgerrechte. Die Menschenrechte seien "stetig ausgehöhlt worden durch die Auflösung politischer Parteien, Organisationen der Zivilgesellschaft und unabhängige Nachrichtenmedien" sowie durch willkürliche Verhaftungen, teilte die Organisation Amnesty International mit. In Algerien gebe es mittlerweile "null Toleranz" für abweichende Meinungen.
Tebboune genießt die Unterstützung des Militärs
Bei Massenprotesten 2019 waren Millionen Algerier auf die Straße gegangen, als der damalige Langzeitpräsident Abdelaziz Bouteflika nach zwei Jahrzehnten an der Macht eine fünfte Amtszeit anstrebte. Die Protestierenden forderten eine neue Führung, demokratischen Wandel und ein Ende der Herrschaft des Militärs. Dieses hat seinen Einfluss auf die Politik Algeriens dagegen aber erweitert.
Experten zufolge steuert der Sicherheitsapparat das Land seit Jahrzehnten aus dem Hintergrund. Auch Tebboune genießt die Unterstützung des Militärs, dessen Budget er in seiner ersten Amtszeit verdoppelte.
Keine demokratische Erneuerung unter Tebboune
Bouteflika, der das Land von 1999 bis 2019 regierte, stand Kritikern zufolge für autoritäre Herrschaft und ausufernde Korruption. Eine demokratische Erneuerung des Landes, die Demonstranten der Hirak-Bewegung forderten, hat aber auch Tebboune laut Menschenrechtlern und Oppositionellen nicht geleistet.
Stattdessen hat die Unterdrückung kritischer Stimmen zugenommen, Amnesty International zufolge unter anderem durch Änderungen im Strafrecht und erfundene Terrorismusvorwürfe. Teils ist von den schwersten Eingriffen in Bürgerrechte in Algerien die Rede seit dem erbitterten Bürgerkrieg in den 1990er-Jahren, bei dem schätzungsweise 150.000 Menschen getötet wurden.