Präsidentenwahl in Ägypten "Außer Gottes Segen besitze ich nichts"
Viele Ägypter leiden unter der schweren Wirtschaftskrise und der hohen Inflation. Präsident al-Sisi steht unter Druck, doch eine dritte Amtszeit gilt ihm bei der jüngsten Wahl als sicher.
Ramadan Moh Nouah hat sich zum Frühstück in einem Restaurant am Rande von Kairo ein typisch ägyptisches Bohnenmus bestellt und isst dazu einen kleinen Salat. Bezahlen muss er das Essen hier nicht. Das könnte der 75-Jährige auch gar nicht. Um wenigstens ein paar ägyptische Pfund zu verdienen, verkauft er Taschentücher auf der Straße: "Ich erhalte eine kleine Rente. Sie reicht aber nicht einmal für meine Stromrechnung", erzählt er. Zusammen mit seiner Frau wohnt er in einem Zimmer. "Gutmütige Menschen geben mir kleine Spenden. Außer Gottes Segen besitze ich nichts."
Moh Nouah lebt von der Hand in den Mund. Viele Menschen in dem Viertel, das zu den wohlhabenderen zählt, sind so arm, dass sie sich nicht einmal das günstige ägyptische Frühstück leisten können. Deshalb gibt Restaurantbesitzer Mohammed Radwan, der eigentlich anders heißt, kostenlose Mahlzeiten aus: "Wir müssen den Bedürftigen helfen. Wenn jemand kommt und sagt: Ich brauche etwas zu essen, kann man nicht 'Nein' sagen", sagt er.
Ägyptens Wirtschaft steckt in einer schweren Krise. Allein im vergangenen Jahr hat das ägyptische Pfund etwa die Hälfte seines Wertes verloren. Doch die Gehälter wurden nicht erhöht. Den wirtschaftlichen Druck spüren alle im Land - auch Restaurantbesitzer Radwan. Jeden Tag stiegen die Preise für die Zutaten. "Aber für ein Sandwich kann ich nicht jeden Tag mehr Geld nehmen. Das heißt, dass mein Gewinn innerhalb kurzer Zeit sinkt."
Er versuche, so die Kunden zu halten. "Heutzutage kümmert sich kaum noch jemand um den Gewinn. Das heißt: Wenn es einem großen Restaurant gelingt, die Kosten für die Arbeitskräfte und die Rohstoffe zu decken, hält es sich schon für einen Helden."
35 Millionen Ägypter haben nur zwei Dollar am Tag
Radwans Restaurant ist beliebt. nicht nur bei denen, die hier kostenlos essen. Ihnen zu helfen, ist für den Restaurantmanager eine Pflicht: "Unsere Religion schreibt uns vor, zu spenden und Almosen zu geben." Ein Muslim müsse den Bedürftigen helfen, egal ob sie selber Muslime seien oder nicht. "Das ist kein finanzieller Verlust, denn der Lebensunterhalt hängt von Gott ab", erklärt der Unternehmer.
So sehen es viele Ägypter. Sie vertrauen auf Gott, weil ihnen kaum etwas anderes übrigbleibt. Offiziellen Angaben zufolge lebt ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Das bedeutet: Mehr als 35 Millionen Menschen müssen mit etwa zwei Dollar pro Tag auskommen - oder noch weniger. Vom ägyptischen Staat erhalten sie fast nichts. Denn der ist beinahe bankrott.
Prestigeprojekte statt Problemlösungen
In den vergangenen Jahren wurde viel Geld in Prestigeprojekte des Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi gesteckt, statt die Strukturprobleme des Landes zu lösen. Ein Beispiel dafür sei die neue Verwaltungshauptstadt, sagt Timothy Kaldas, stellvertretender Direktor des Tahrir Institute for Middle East Policy: "Die neue Verwaltungshauptstadt ist eine gewaltige Geldverschwendung - gerade mit Blick auf die Finanzkrise im Land." Zig Milliarden Dollar würden dafür ausgegeben.
Bauunternehmen, von denen viele dem Militär gehören, stampfen Universitätsgebäude und Ministerien aus dem Boden, Hochhäuser und großzügige Villen. Wenn es nach den Plänen des Präsidenten geht, sollen hier Millionen Menschen ein Zuhause finden. Doch die meisten Häuser und Wohnungen stehen leer.
Al-Sisi als Garant für Sicherheit
Denn ein Bruchteil der ägyptischen Bevölkerung kann sich eine Neubauwohnung überhaupt leisten. Die meisten Ägypter leben in Orten, in denen es kaum asphaltierte Straßen gibt und schon gar keine Beleuchtung. Für die 29-jährige Nadia ist das kein Problem. Sie schätzt vor allem eines - die Sicherheit. "Die gibt mir ein gutes Gefühl. Hier in Ägypten gibt es eine Armee, die uns verteidigt, wenn das Land in Gefahr ist", sagt sie.
Für sie und ihren Mann ist klar: Trotz der Wirtschaftsprobleme im Land, der mangelnden Gesundheitsversorgung und der unzureichenden Bildung für ihre Kinder werden sie bei der Präsidentenwahl für al-Sisi stimmen. Der lässt keine Gelegenheit verstreichen, sich als Garant für Sicherheit und Stabilität im eigenen Land und im Nahen Osten zu präsentieren - gerne auch vor glitzernden Fassaden.