Großstadt Herat Erneut schweres Erdbeben in Afghanistan
Ein Erdbeben der Stärke 6,3 hat erneut den Westen Afghanistans erschüttert. Bei Erdstößen am Wochenende waren mehr als 2.000 Menschen gestorben. Die Vereinten Nationen warnen unterdessen vor einer Hungersnot im Land.
Am frühen Morgen hat die Erde in Afghanistan erneut gebebt. Laut US-Erdbebenwarte USGS hatte das Beben - wie auch das am Wochenende - eine Stärke von 6,3, hinzu kamen mehrere Nachbeben. Das Epizentrum lag demnach etwa 28 Kilometer nordwestlich der Stadt Herat, in der mehr als eine halbe Million Menschen leben.
Wie viele Opfer es durch das neue Beben gibt, ist noch unklar. Mindestens ein Mensch sei ums Leben gekommen, sagte ein Vertreter des Rettungsdienstes. Das afghanische Informationsministerium sprach von mindestens 80 Verletzten, Ärzte ohne Grenzen teilte dagegen mit, dass allein im Krankenhaus in Herat fast 120 Verletzte eingeliefert worden seien.
Den offiziellen Angaben zufolge sind auch Orte zerstört worden, die von dem ersten Beben am Wochenende verschont geblieben waren. So seien im Ort Chahak alle 700 Häuser zerstört worden. Todesfälle wurden von dort jedoch nicht gemeldet, da die Bewohner aus Angst vor Nachbeben in Zelten Zuflucht gesucht haben sollen.
Tausende Tote nach Beben am Samstag
Am Samstagmorgen hatten mindestens acht Beben innerhalb kurzer Zeit die gleiche Region erschüttert. Dabei waren nach Angaben der Taliban mehr als 2.000 Menschen gestorben. Mehr als 2.000 weitere wurden demnach verletzt. Das UN-Nothilfebüro OCHA hatte die Zahl der Todesopfer dagegen bisher mit mehr als 1.000 angegeben. Demnach wurden mindestens elf Dörfer "zu 100 Prozent" zerstört. Viele Menschen verbrachten die vergangenen Nächte aus Angst vor Nachbeben auf der Straße.
Immer wieder gibt es schwere Erdbeben in der Region, wo die Arabische, die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen. Bei einem verheerenden Beben kamen 2022 in Afghanistan mehr als 1.000 Menschen ums Leben. Nach mehreren Jahrzehnten Konflikt sind viele Häuser schlecht gebaut. Erdbeben richten daher oft große Schäden an.
Welternährungsprogramm warnt vor Hungersnot
Seit der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren hat sich die humanitäre Lage vor Ort noch verschlechtert. Hinzu kommt, dass seitdem die finanziellen Hilfen aus dem Ausland zurückgegangen sind. Nach Ansicht des Welternährungsprogramm (WFP) droht in dem Land eine Hungersnot. "Die Lage ist ziemlich hoffnungslos", sagte der WFP-Regionaldirektor für Asien und den Pazifik, John Aylieff, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die für Afghanistan zur Verfügung stehenden Finanzmittel seien stark gesunken. "Die Programme für humanitäre Hilfe sind drastisch unterfinanziert", so der Experte. Das WFP habe für Afghanistan 80 Prozent weniger Geld als vergangenes Jahr, betonte Aylieff. Statt 1,6 Milliarden US-Dollar stünden für Afghanistan nur 340 Millionen US-Dollar zur Verfügung. "15 Millionen Menschen in Afghanistan leiden aktuell Hunger, 13 Millionen wollten wir mindestens erreichen. Wegen fehlender Finanzierung mussten wir zehn Millionen Menschen davon die Hilfe streichen."
Der WFP-Regionaldirektor mahnte: "Das wird jetzt besonders kritisch: Der Winter steht bevor, und der Winter ist in Afghanistan brutal." Manche Bergdörfer seien durch den Schnee für bis zu sechs Monate von der Außenwelt abgeschnitten. "Ohne Vorräte können sie nicht überleben."
In Herat benötigen 100.000 Menschen Hilfe
Aylieff sagte, er erwarte schlimme Folgen: "Natürlich werden Menschen fliehen. Aber vor allem werden mehr Menschen sterben." Der UN-Vertreter forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, ihre Unterstützung für Afghanistan zu erhöhen: "Auch wenn die Taliban viele hochproblematische Entscheidungen treffen, muss die Humanität an erster Stelle stehen."
Die Unterstützung für Afghanistan sei im Vergleich zu der Hilfe für andere Länder deutlich stärker gesunken. "Das entspricht dem Bedarf in keiner Weise", betonte er. "Wir appellieren an alle Regierungen und privaten Spender, Afghanistan wieder mehr zu unterstützen." Allein in der Erdbebenregion Herat sei damit zu rechnen, dass in den kommenden Monaten bis zu 100.000 Menschen Hilfe brauchten. Neben fehlenden Nahrungsmitteln gebe es Bedarf für medizinische Versorgung und Unterkünfte.