Machtwechsel in Ägypten Mursi abgesetzt und unter Arrest
Nach tagelangen Massenprotesten hat das Militär Ägyptens Präsidenten abgesetzt. Mursi steht unter Arrest, andere Politiker wurden verhaftet. Während Hunderttausende Gegner Mursis in Kairo dessen Sturz feierten, kamen im Nordwesten des Landes mindestens zwölf Menschen ums Leben.
Nach dem Sturz durch das Militär steht der ehemalige ägyptische Präsident Mohammed Mursi unter Hausarrest. Er befinde sich im Hauptquartier der Präsidentengarde, sagte der Sprecher der Muslimbruderschaft, Gehad el Haddad. Wenige Stunden zuvor war Mursi vom Militär abgesetzt worden.
Bis zu Neuwahlen soll der bisherige Präsident des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, die Geschicke des Landes lenken. Medienberichten zufolge soll er noch heute den Amtseid ablegen. Verteidigungsminister Abdel Fattah al Sisi sagte, die unter dem Einfluss von Islamisten ausgearbeitete Verfassung sei ausgesetzt. Sie solle überarbeitet werden. Die Regierungsgeschäfte werde ein Technokratenkabinett - also ein Gremium parteipolitisch unabhängiger Fachleute - übernehmen. Die künftige Regierung werde weitgehende Befugnisse haben und "alle nationalen Kräfte" einschließen.
Krisentreffen mit Opposition und religiösen Vertretern
Der politische Fahrplan sei mit Politikern und anderen öffentlichen Personen beschlossen worden, erklärte Sisi. Seiner Rede war ein Krisentreffen der Militärführung mit den Spitzen der Opposition und hohen religiösen Würdenträgern vorausgegangen. Die Partei der Muslimbruderschaft - aus der Mursi stammt - nahm nicht teil. Oppositionsführer und Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei sagte, Sisis Ankündigungen entsprächen den Forderungen der Opposition.
In der Nacht feierten Hunderttausende Menschen auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo den Sturz Mursis nach nur einem Jahr im Amt. Feuerwerk wurde gezündet, es herrschte Jubelstimmung, hupende Autokorsos kreuzten durch die Stadt. Eine Demonstration von Mursi-Anhängern in einem Kairoer Vorort wurde von Sicherheitskräften abgeschirmt. Größere Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.
Dagegen kamen in Marsa Matruh im Nordwesten des Landes bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis mindestens zwölf Menschen ums Leben. Die Stadt am Mittelmeer gilt als Islamisten-Hochburg. Wie die Zeitung "Al Ahram" online berichtete, hatten Anhänger Mursis ein Regierungsgebäude angegriffen, nachdem Verteidigungsminister Sisi in einer Fernsehansprache die Absetzung Mursis verkündet hatte.
Gewalttätige Zusammenstöße wurden auch aus Kafr El Sheikh im Nil-Delta gemeldet. Dort wurden dem Bericht zufolge knapp 120 Menschen verletzt. 43 Mursi-Anhänger seien wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen worden.
Mehrere Muslimbrüder verhaftet
Wie der Sprecher der Muslimbruderschaft, Haddad, weiter mitteilte, wurden auch zwei führende Politiker der von den Muslimbrüdern gegründeten Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) verhaftet, darunter der frühere Parlamentspräsident und heutige Präsident der FJP, Mohamed Saad el Katatny. "Das gesamte Präsidententeam wurde festgenommen. Sie arbeiten sich durch eine Arrestliste mit mehr als 300 Namen", sagte er.
Unmittelbar nach der Mursi-Entmachtung wurden offenbar auch Fernsehsender der Islamisten abgeschaltet. Beim Sender "Misr25" der regierungsnahen Muslimbruderschaft wurde laut Augenzeugen die Ausstrahlung schlagartig unterbrochen. Auch der Islamistensender "Al Hafes" und der Salafistensender "Al Nas" seien betroffen, berichtete die staatliche Zeitung "Al Ahram".
Präsident auf Twitter: Mursi will Entmachtung nicht akzeptieren
Auf einer der offiziellen Twitterseiten des entmachteten Staatsoberhauptes Mursi hieß es, es handele sich bei seiner Absetzung um einen "Putsch". Dieses Vorgehen werde von allen freien Menschen abgelehnt, die für ein ziviles, demokratisches Ägypten gekämpft hätten. Zugleich rief er die Ägypter auf, friedlich zu bleiben und Blutvergießen zu vermeiden.
Panzer und Soldaten bezogen laut AFP nahe einer Demonstration von Mursi-Anhängern in Kairo Stellung. Auch an wichtigen Staatseinrichtungen und in der Nähe der Schauplätze der Proteste marschierten Soldaten auf. Gepanzerte Fahrzeuge und Soldaten waren in voller Kampfausrüstung zu sehen. Der Armeechef sprach im Fernsehen eine Warnung an bewaffnete Gruppen aus. Die Polizei werde Gewalt "entschieden" entgegentreten, sagte Sisi.
Ultimatum endete um 17 Uhr
Das Ultimatum des ägyptischen Militärs an Mursi war um 17 Uhr abgelaufen. Die Armee hatte angedroht, wenn Mursi das Ultimatum verstreichen lasse, werde sie selbst einen Fahrplan für einen Ausweg aus der Krise verkünden und die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen überwachen.