Presseschau zu Unruhen in Ägypten Fatale Zurückhaltung, verpasste Chancen
Der Aufstand gegen Mubarak stellt das Ausland vor massive Probleme. In deutschen Pressestimmen wird auf die Schlüsselrolle der USA verwiesen - die aber wie die EU rätseln, auf wen sie nun setzen sollen. Und Israel fürchtet nicht nur den Verlust eines Partners, sondern auch anhaltende Instabilität in Nahost.
Der Aufstand gegen Mubarak stellt das Ausland vor massive Probleme. In den Kommentaren der deutschen Presse wird auf die Schlüsselrolle der USA verwiesen - die aber wie die EU rätseln, auf wen sie nun setzen sollen. Und Israel fürchtet nicht nur den Verlust eines Partners, sondern auch anhaltende Instabilität in Nahost.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Der neue, von Mubarak ernannte Kairoer Regierungschef soll nun Reformen einleiten. Wie die aussehen sollen, weiß bisher allerdings niemand; und die Demonstranten misstrauen den Versprechungen. Der Druck der Straße ist nicht besänftigt. Zwar hält das Militär den Schlüssel für die weitere Entwicklung in der Hand, doch hinter der Armeeführung stehen die Vereinigten Staaten. Von den zwei Milliarden Dollar Hilfe, die Ägypten in jedem Jahr aus Washington erhält, gehen 1,3 Milliarden an das Militär. Amerika steht nun vor dem Problem, wenigstens akzeptable Veränderungen herbeiführen zu helfen, ohne das strategisch so wichtige Ägypten preiszugeben. Es ist eine Frage, welche die gesamte Nachbarschaft Ägyptens berührt - von der Ausstrahlung der revolutionären Umtriebe nach Jordanien, Marokko und in den Jemen hinein einmal ganz zu schweigen."
"Während die USA den wankenden Präsidenten Ägyptens zumindest moralisch bereits fallen gelassen haben, hält Israel nicht nur an ihm fest, sondern ermahnt auch die westlichen Partner dazu. Pikanterweise fürchten auch die Palästinenser im Westjordanland nichts so sehr wie das politische Ende des Ägypters, denn er ist für sie ein Sicherheits-Garant. Abbas, der Chef der Autonomie-Regierung, hält Mubarak für den wichtigsten arabischen Schutzpatron, ohne dessen Unterstützung weder Verhandlungen mit Israel, noch mit der im Gaza-Streifen herrschenden Hamas denkbar waren", konstatiert die "Nürnberger Zeitung".
"Israel hat diese Chance arrogant verspielt"
Die "Süddeutsche Zeitung" geht näher auf die Haltung Israels ein: "Die Regierung in Jerusalem muss nun selber sehen, was sie tun kann, um die aufziehende Bedrohung zu entschärfen - und dazu muss sie sich auch fragen, was sie alles nicht getan hat in den 30 Jahren, in denen der Frieden mit Ägypten die Chance eröffnet hat auf andere Friedensschlüsse. Israel hat diese Chance arrogant verspielt. Der Ausgleich mit Syrien wurde auf die lange Bank geschoben, eine Einigung mit den Palästinensern durch den Siedlungsbau torpediert. Nun bleiben noch genau zwei Möglichkeiten: Israel könnte mit einer neuen Friedensinitiative versuchen, die Kräfte der Veränderung in eine positive Richtung zu lenken. Oder es könnte sich rüsten für eine neue Phase der gefährlichen Instabilität in Nahost. Die Regierung in Jerusalem wäre klug beraten, beides zu tun."
"Ägypten war seit Camp David ein verlässlicher Nachbar, von dem keine Gefahr ausging. Das, so die Spekulationen in Jerusalem, könnte sich durch Mubaraks Sturz ändern. Aber die Alternative hieße eben Fortsetzung der Unterdrückung in Ägypten - mit geringen Aussichten auf Erfolg. Israel muss aus diesem Grund ebenso wie die EU und die USA ein Interesse daran haben, den Wandel in Kairo klug zu begleiten", rät die "Rhein-Neckar-Zeitung".
"Sie fürchten sich, auf Verlierer zu setzen"
"Der Ruf nach Stabilität ist derzeit nicht nur in Jerusalem, sondern auch in Europa zu hören", hebt das "Westfalen-Blatt" aus Bielefeld hervor. "Die EU-Außenminister fordern für Ägypten mehr Demokratie und Gewaltfreiheit bei den Demonstranten. Die Spitzendiplomaten vermeiden aber, Partei für Mubarak oder die Opposition zu ergreifen. Sie fürchten sich, auf Verlierer zu setzen."
Die Zeitung "Die Welt" blickt auf die Rolle Deutschlands: "In der Vergangenheit haben sich deutsche Regierungen am liebsten zurückgehalten, wenn, wie jetzt in Ägypten, alteingesessene Regime ins Wanken gerieten. Deshalb ist es umso erstaunlicher, wenn Außenminister Westerwelle sich nun vehement für eine Demokratisierung der arabischen Welt einsetzt. Und wenn er davor warnt, dass ausbleibende Reformen zunächst einen Anschein von Stabilität schaffen, auf Dauer aber zu Instabilität führen. Diese Neujustierung der deutschen Politik folgt der Erkenntnis, dass die Friedhofsruhe der Diktaturen gefährlich ist, weil sie einen enormen Frust in der Gesellschaft anhäuft, der sich irgendwann eruptiv entladen könnte."
(Zusammengstellung: Deutschlandfunk)