Obama und Medwedjew sprechen über Abrüstung Ein erster Schritt zu einer Welt ohne Atomwaffen?
Vorbei sind die Zeiten, als ein Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA zu den größten Gefahren für die Welt zählten. Heute gilt es als wahrscheinlicher, dass andere Länder oder Terroristen Atomwaffen einsetzen. Russland und die USA haben es aber in der Hand, die Gefahr von Atomwaffeneinsätzen zu verringern. In London haben die Präsidenten Obama und Medwedjew über Schritte dorthin beraten.
Von Silvia Stöber, tagesschau.de
Um die Gefahr der Verbreitung von Atomwaffen einzudämmen, ist bereits Ende der 60er-Jahre der Atomwaffensperrvertrag beschlossen und unterzeichnet worden. Während sich die Atomwaffenstaaten auf eine vollständige Abrüstung verpflichteten, erklärten die Staaten ohne Atomwaffen einen Verzicht auf derartige Waffen. Mittlerweile gehören dem Vertrag 188 Staaten an und es finden regelmäßig Überprüfungskonferenzen statt. Das letzte Treffen im Jahre 2005 scheiterte allerdings am Willen der Beteiligten, weitere Abrüstungsschritte einzuleiten.
Experten machen sich derweil Sorgen um die Verbreitung von Atomwaffen in Regionen wie dem Nahen Osten und in Ländern wie Pakistan, Indien und Nordkorea. Nicht nur könnten sich die gegnerischen Staaten einen Rüstungswettlauf mit unabsehbaren Folgen liefern. In innenpolitisch instabilen Ländern wie Pakistan kommt die Gefahr hinzu, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen geraten. Andere Staaten ohne Atomwaffen kritisieren indessen, dass ihnen immer neue Schranken auferlegt werden sollen, während die Abrüstung in den Atomwaffenstaaten nicht vorankommt.
Raketenabwehrsysteme statt Abrüstung
Vor allem während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush ist der Abrüstungsprozess ins Stocken geraten. Zwar einigten sich Bush und Russlands damaliger Präsident Wladimir Putin 2002 auf ein neues Abrüstungsabkommen. Doch im Vergleich zu vorherigen Verträgen sind die Festlegungen darin weit weniger präzise und es wurden keine Maßnahmen zur Überprüfung der Vereinbarungen getroffen.
Zudem setzte die US-Regierung ihre Raketenabwehrpläne um und kündigte den ABM-Vertrag, der die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen regelte. Russland arbeitet derweil an der Modernisierung seiner Atomwaffen und treibt außerdem sein eigenes Raketenabwehrsystem voran, sagt der Experte Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit tagesschau.de.
Doch beide Staaten sind aus Sicherheitsgründen daran interessiert, dass der Kreis der Staaten mit eigenen Atomwaffen klein bleibt. Die nächste Gelegenheit für neue weltweite Vereinbarungen ist die Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag im Frühjahr nächsten Jahres in New York. Wollen die USA und Russland die anderen Mitgliedsstaaten wieder gewogen stimmen, müssen sie mit gutem Beispiel vorangehen.
Wie viele Atomwaffen kann sich ein Staat leisten?
Tatsächlich haben beide Seiten ihren Willen zur Reduzierung ihrer Atomwaffen bekundet. Das liegt nahe in Zeiten der Wirtschaftskrise. Um Atomwaffen einsatzbereit zu halten, sind hohe Ausgaben nötig. Die USA geben dafür etwa 50 Milliarden Dollar pro Jahr aus, müssen aber auch viel Geld in die Auslandseinsätze im Irak und Afghanistan stecken.
Russland seinerseits muss sein komplettes Waffenarsenal modernisieren. Im Georgien-Krieg zeigte sich, dass es der russischen Armee beispielsweise an modernen Kommunikationsmitteln mangelt. Im Dezember kündigte die russische Regierung allerdings eine Kürzung des Verteidigungshaushaltes um 15 Prozent an. Dabei liegen die Militärausgaben Russlands bereits 15 Mal niedriger als jene der USA, geht man von den Angaben des Internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm aus.
Die Zeit für ein neues Abkommen drängt
So werden US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Dimitri Medwedjew bei ihrem ersten Treffen in London eine erste Erklärung über die Verringerung ihrer strategischen Angriffswaffen vorlegen. Das kündigte Medwedjews außenpolitischer Berater Sergej Prichodko am Wochenende zuvor an.
Konkret geht es um ein Nachfolgeabkommen oder die Verlängerung des START-Vertrages, der am 5. Dezember ausläuft. Die ursprünglich vorgesehene Verringerung der Atomsprengköpfe auf jeweils 6000 und der entsprechenden Trägersysteme auf 1600 gelten seit 2001 als erfüllt. Wichtig sind aber nach wie vor die im Vertrag vereinbarten Überprüfungsmaßnahmen. Sollte das Abkommen nicht verlängert oder durch ein neues ersetzt werden, würde das System der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle weitgehend in sich zusammen fallen, warnt Thränert.
Verhandlungen über Sprengköpfe und Trägersysteme
Thränert geht in einer Studie davon aus, dass beide Seiten der Reduzierung ihrer strategischen Sprengköpfe auf jeweils 1000 bis 1400 zustimmen werden. Zu weniger wären sie nicht bereit, da sie ihr Abschreckungspotenzial aufrecht erhalten wollen. Über den Grundkonsens hinaus muss geklärt werden, wie viele und welche Trägersysteme erlaubt sein sollen, welche anderen Arten von Sprengköpfen einbezogen und wie genau die Vereinbarungen künftig überprüft werden sollen.
Russland will zudem ein Thema mit einbeziehen, das bisher für große Verstimmung gesorgt hat: die Raketenabwehr der USA. Der russischen Regierung sei durchaus klar, dass die geplanten Raketenabwehranlagen in Tschechien und Polen keine Bedrohung für das eigene Territorium darstellten, sagt Thränert. Die Proteste der russischen Regierung hätten vor allem politische Gründe.
Doch wollen sich beide Staaten vor den Raketen anderer Staaten schützen. Deshalb hält Thränert eine Einigung auch auf diesem Gebiet für möglich. Wichtig sei zunächst eine Verständigung über das Bedrohungspotenzial durch andere Staaten wie Iran und Nordkorea. Künftig könne man dann auch bei der Überwachung und der Abwehr zusammenarbeiten.
Einigen sich Russland und die USA, ist ein erster Schritt zur Abrüstung getan. Gefragt sind aber ebenso die anderen Staaten aus dem "Atom-Club" wie Frankreich, Großbritannien und China, aber auch Israel. Nur dann werden sich die Staaten ohne Atomwaffen überzeugen lassen, auf eigene Atomprogramme zu verzichten. Bis zu einer Welt ohne Atomwaffen, wie es mehrere Elder Statesmann um den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger gefordert haben, ist der Weg jedoch noch sehr weit.
Elder Statesmen um Ex-US-Außenminister Kissinger setzen sich für Abrüstung ein, hier bei einem Treffen mit russischen Vertretern in Moskau.